Skatspielen bei Nokia …
Was tun bei Massenentlassungen? Linkspartei lud zur Konferenz nach Bochum und diskutierte über Kampfmaßnahmen gegen die Schließung des HandywerksPeter Wolter Der Käse ist wohl gegessen«, resümierte ein Gewerkschafter am Samstag in Bochum auf einer Konferenz der Linksfraktion im Bundestag. Die Schließung des dortigen Nokia-Werkes dürfte nicht mehr zu verhindern sein; in dieser Woche verhandeln IG Metall und Betriebsrat mit der Konzernleitung über einen Sozialplan und Ersatzarbeitsplätze. Obwohl alleine im Bochumer Werk 2300 und bei den Zulieferern 2000 Arbeitsplätze wegfallen – außer eine Protestdemonstration, einem Soli-Zelt und einer Menschenkette hatte es bislang keine Ansätze wirksamer Gegenwehr gegeben. Und das, obwohl der Betriebsrat des benachbarten Opel-Werkes solidarische Kampfaktionen angeboten hatte.
»Nokia ist überall – was tun?« war das Motto der Konferenz, an der etwa 200 Gewerkschafter und Parteimitglieder teilnahmen. Die Bochumer Abgeordnete der Linksfraktion Sevim Dagdelen nannte zu Beginn einige Beispiele: Telekom (bis Ende des Jahres 32000 Arbeitsplätze weniger), BMW (7500), RAG (4800 plus 5000 bei Zulieferern), Siemens/SEN (3200) oder die WestLB (1500). Keines dieser Unternehmen schreibe rote Zahlen, sagte sie. »Der Skandal ist, daß diese Massenentlassungen lediglich zur Steigerung der Umsatz- und Kapitalrendite stattfinden.«
Aber wie kann man Massenentlassungen verhindern? Ein ehemaliger Babcock-Arbeiter schilderte in der Diskussion, wie es jedenfalls nicht geht: »Als unser Betrieb geschlossen werden sollte, saßen auf allen Ebenen SPD-Leute«, sagte er. »Selbst die Betriebsräte waren Sozialdemokraten, sie haben sich auf alle faulen Kompromisse eingelassen und das Ding schließlich an die Wand gefahren.« An den Nokia-Betriebsrat Wolfgang Echterhof gewandt, ergänzte er: »Ihr erwartet Solidarität von allen. Aber was macht ihr selbst? Warum geht ihr nicht in den Streik? Statt dessen bettelt ihr eher auf Knien, daß man mit euch verhandelt. Das ist würdelos!« Echterhof entgegnete: »Ich glaube, wir tun Nokia mehr weh, wenn wir uns in die Kaffeebude setzen und Skat spielen. Das ist dann Arbeitszeit, und die muß bezahlt werden.«
Wie ehedem bei Babcock sitzen auch bei Nokia in allen wichtigen Positionen Sozialdemokraten: im Betriebsrat, in der IG Metall, auch die Bochumer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz ist SPD-Mitglied. Die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach hatte sich vor einigen Wochen sogar geweigert, eine Delegation von mehreren nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten der Linkspartei zu treffen, die sich an Ort und Stelle über den Konflikt informieren wollten. Weder von seiten der IG Metall noch aus dem Betriebsrat kam bislang ein kritisches Wort über die vom jetzigen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mitverantwortete Subventionspraxis, die letztlich zu dem Nokia-Desaster geführt hatte. Statt dessen setzten die Sozialdemkraten auf lauschige Zusicherungen des CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers sowie auf Verhandlungen. »Wir können was verändern«, warf ein Gewerkschafter in die Diskussion. »Wir haben ein wunderbares Klavier – wir können nur nicht darauf spielen.«
Die Linkspartei jedenfalls setzt vorerst auf eine Gesetzesinitiative zur Verhinderung von Masssenentlassungen sowie auf wirksame Arbeitskämpfe. »Wir brauchen politische Streiks«, forderte die Europa-Abgeordnete Sahra Wagenknecht unter großem Beifall. Auch die Mitbestimmung soll gestärkt werden. »Warum geht es nur bei VW, daß eine Zwei-Drittel-Mehrheit des Aufsichtsrats für derart weitreichende Beschlüsse wie eine Werksschließung nötig ist?«, fragte schließlich die Bundestagsabgeordnete Ulla Lötzer.