Solidarität mit den Menschen – keine Mittelmeerpolitik für Banken und Konzerne
Werter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Kaum hatte die im Juli 2008 in Paris gegründete Mittelmeerunion vor einem Jahr ihre Arbeit aufgenommen, da wurde sie durch die Dynamik des demokratischen Aufbegehrens in Nordafrika eigentlich schon zur Makulatur. Erneut bestätigte sich, dass im Ernstfall, wenn es um die Einforderung demokratischer Teilhabe in Afrika geht, die EU uns Schweigen als Gold serviert.
Das ist auch kein Zufall. Die Mittelmeerunion richtete sich nämlich nicht, wie eben gesagt wurde, an die gesellschaftlichen Akteure in der Region, sondern war von Anfang an ein rein zwischenstaatliches Forum. Als Garanten für die europäischen Interessen und Werte galten dabei der Tunesier Ben Ali als Präsident dieser Union und dessen ägyptischer Kollege Mubarak als Vizepräsident dieser Union.
(Niema Movassat (DIE LINKE): Genau!)
Der französische Präsident Sarkozy besaß mehr Witz als Verstand, als er damals noch um die Teilnahme Gaddafis buhlte.
(Niema Movassat (DIE LINKE): Illustre Runde!)
In dem vorliegenden Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der SPD findet sich leider kein Wort dazu. Mit keinem Wort wird erwähnt, dass beide, Ben Ali und Mubarak, jahrzehntelang ihren Platz in der sozialdemokratischen Internationale an der Seite der SPD hatten.
(Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Das ist jetzt aber wirklich eine olle Kamelle!)
Es findet sich kein Wort dazu, dass man diese Diktatoren jahrzehntelang mit Waffen, Ausbildungs- und Ausstattungshilfe beliefert hat. Es ist – das muss ich schon sagen – an Heuchelei kaum zu überbieten, wenn Sie beim Thema Flüchtlingssituation im Mittelmeerraum den Samariter mimen. Wir unterstützen ja den Willen, Flüchtlinge aufzunehmen. Aber wenn Sie in Ihrem Antrag an Rückübernahme ‑ sprich: einem Abschiebeabkommen der EU ‑ festhalten, geht das meines Erachtens nicht.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die Menschen in Nordafrika können sich von Sympathiebekundungen nichts kaufen. Das Versagen Europas angesichts der Umbrüche in der arabischen Welt darf nicht nachträglich in eine Tugend umformuliert werden. Die Zukunft Afrikas darf nicht weiterhin auf Konferenzen in Paris, Berlin oder Brüssel entschieden werden. Diese Politik muss ein für allemal der Vergangenheit angehören.
(Beifall bei der LINKEN)
Der SPD-Antrag beweist, dass aus der Vergangenheit keine Lehren gezogen wurden. Es geht nicht darum, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, europäische Werte und Ziele in der unmittelbaren südlichen Nachbarschaft politische Praxis werden zu lassen. Ihr Antrag entspricht einem Doppeldenk frei nach George Orwell zwischen Feststellungs- und Forderungsteil. Sie sprechen von Sympathie, Demokratie und Werten und meinen lediglich strategische Interessen Europas, besser gesagt der Europäischen Union. Das haben Sie hier ja auch weiter ausgeführt. Sie sprechen von Unterstützung und beschäftigen sich nur mit der Lösung europäischer Probleme wie der Energieversorgung und der Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Sie sprechen von Demokratie und Wohlstand und meinen Freihandelszone. Sie sprechen von Freiheit und meinen Migrationskontrolle in Form von Rückübernahmeabkommen. Das lehnt die Linke ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei all den guten Vorschlägen stecken Sie somit immer noch mit beiden Füßen in der Vergangenheit. Der von Ihnen vorgeschlagene Neustart ist in Wirklichkeit der Versuch der Wiederbelebung einer Politik, der der demokratische Aufbruch längst einen klinischen Tod bescheinigt hat. Diese Politik ist gescheitert, weil sie sich an den nationalen Kapitalinteressen in Europa und nicht am Gemeinwohl der betroffenen Menschen in Nordafrika orientierte. Es muss um die Menschen in Nordafrika mit ihren Bedürfnissen und Interessen gehen und nicht um die Steigerung der Profite der Großkonzerne in Europa und der deutschen Unternehmen, der Sie so unmissverständlich zustimmen.
(Beifall bei der LINKEN – Dietmar Nietan (SPD): Das steht nun wirklich nicht in dem Antrag! – Iris Gleicke (SPD): Man muss davon ausgehen, dass Sie nicht lesen können!)
So ist es auch kein Zufall, dass Sie die Zivilgesellschaft in Nordafrika noch nicht einmal fragen, sondern den Menschen mit einem fertigen Konzept regelrecht drohen. In Ihrem Antrag ist denn auch die Rede von einem „wirksamen Hebel", der bei richtiger Anwendung vorhanden ist.
Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Der wahre Maßstab für einen Neubeginn wäre die Einlösung des Freiheits- und Demokratieversprechens und des Versprechens eines sozialen Europas gegenüber den Menschen in den arabischen Staaten.
(Beifall bei der LINKEN – Manfred Grund (CDU/CSU): Es fehlen nur noch die Mindestlöhne!)
Dass Sie dazu nichts beizutragen haben, überrascht nicht wirklich. Dass Sie dies aber für alle offensichtlich auch noch aufschreiben, überrascht dann schon. Es scheint noch ein weiter Weg zu sein, bis Sie wieder zu einer Sozialdemokratie zurückgekehrt sind,
(Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): Mach dir mal keine Sorgen!)
die einst unter internationaler Solidarität nicht Marktöffnung und Konzerninteresse verstand. Die Menschen in Nordafrika brauchen keine neuen einseitigen Verträge. Die Menschen in Nordafrika brauchen echte und ehrliche Solidarität.
(Beifall bei der LINKEN)