Solidarität statt rassistischer Wahn
Rassistisch motivierte Angriffe auf Flüchtlinge und deren Unterkünfte nehmen in der Bundesrepublik stetig zu. Während in den vergangenen Monaten und Wochen in verschiedenen bundesdeutschen Städten mehrfach Tausende »besorgte Bürger« aufmarschierten, um gegen eine von ihnen ausgemachte »Islamisierung« Deutschlands mobil zu machen, sind Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte und darin wohnende Menschen massiv angestiegen. Vor allem in den Regionen und Städten, in denen Neofaschisten und Rassisten in der jüngsten Vergangenheit gegen Migrantinnen und Migranten demonstrierten, stieg die Anzahl der Übergriffe überdurchschnittlich an. Ende März hatte unter anderem die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl eine Chronik der Gewalt veröffentlicht.
Darin zählten die Experten allein für das Jahr 2014 insgesamt 220 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, darunter 35 Brandstiftungen. Außerdem sei es zu 80 Attacken auf Einzelpersonen gekommen. »Schon 2013 war laut Bundeskriminalamt die Anzahl der Gewalt- und Propagandadelikte auf mehr als das Doppelte gegenüber dem Vorjahr (2012: 24 / 2013: 58) gestiegen. »Asylsuchende werden deutschlandweit derzeit zur Zielscheibe rassistischer und rechter Hetze«, konstatiert Pro Asyl.
Fernab der offiziellen Zahlen ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer der rassistischen Angriffe noch höher liegen dürfte. Hinzu kamen außerdem mehr als 270 Aufmärsche gegen Flüchtlingsunterkünfte und darin lebende Menschen. Diese gehen vor allem auf das Konto organisierter Neonazis, die zunehmend bemüht sind, sich in der Öffentlichkeit ein bieder-bürgerliches Antlitz zu verleihen. So wurden die rassistischen Aufmärsche in 119 Fällen aus dem Spektrum der NPD, in 81 Fällen von selbsternannten Bürgerinitiativen, in sechs Fällen von Anhängern der extrem rechten Splitterpartei »Der 3. Weg«, in vier Fällen von Anhängern der neofaschistischen Partei »Die Rechte« angemeldet. Hinzu kommen 21 Anmeldungen der sogenannten »Pro«-Parteien (»Pro NRW«, »Pro Deutschland« usw.). Fünf Anmeldungen stammten hingegen aus dem Spektrum der militanten »Freien Kameradschaften«.
Von 2012 bis einschließlich 2014 hat sich die Anzahl der rechten Attacken versechsfacht. Allein im letzten Quartal 2014 zählte die Bundesregierung bundesweit 67 rechts motivierte Straftaten. Dies sind mehr als im gesamten Jahr zuvor. Als Konsequenz aus dem Anstieg der Gewalt zeigt sich die etablierte Politik gesprächsbereit und geht auf die geistigen Brandstifter der »Pegida«-Bewegung und ihrer lokaler Ableger zu.
Damit wiederholt sich ein Szenario, welches wir bereits aus den 1990er Jahren kennen. Damals wurde infolge der von einem rassistischen Mob begangenen Brandstiftungen, Morde und Gewalttaten das Asylrecht von einer übergroßen Koalition faktisch abgeschafft. Ähnliches wiederholt sich gerade. Ein rassistischer Mob macht gegen Flüchtlinge – und damit gegen die Schwächsten in der Gesellschaft – mobil, hochrangige CDU- und SPD-Politiker, wie etwa Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, führen Gespräche mit derlei Volksverhetzern.
Dabei widerlegen aktuelle Zahlen und Statistiken die ausländerfeindliche Propaganda von Pegida und Co. So kommen fast 60 Prozent der Einwanderer aus Mitgliedsländern der EU. Vor allem aus den ärmeren EU-Ländern Rumänien und Bulgarien und den von der Krise am schlimmsten betroffenen Staaten wie Spanien, Griechenland und Italien. Zwar ist zu begrüßen, dass Menschen sich EU-weit eine Arbeit suchen können. Jedoch wird eine derartige Entscheidung in der Regel unfreiwillig und einzig aus existenziellen und ökonomischen Zwängen getroffen. Denn Bankenrettung und Kürzungsdiktate haben vor allem in Südeuropa zu einem drastischen Abbau der öffentlichen Ausgaben, zu Lohn- und Pensionskürzungen sowie zum Abbau der sozialen Sicherungssysteme geführt. Viele Menschen verlassen ihre Heimat also wegen der deutschen Austeritätspolitik.
Quelle: junge welt