Somalia: Keine Ausweitung der Kampfzone
Plenardebatte zu dem Antrag der Bundesregierung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Ausbildungsmission EUTM Somalia (BT-Drs. 18/4203)
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Herr Staatsminister Roth, wenn man hört, was Sie zur Förderung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen in Somalia sagen, hat man den Eindruck, dass Sie überhaupt keine Kenntnis von der Realität in diesem Land haben.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie unterstützen mit dieser Ausbildungsmission ein islamistisch-autoritäres Regime, das die Scharia über alle Gesetze im Land, also über die Verfassung, gestellt hat. Sie unterstützen ein Regime, in dem die sogenannten Gerichte die Todesstrafe verhängen, in dem sexuelle Minderheiten verfolgt werden, in dem ein Abtreibungsverbot herrscht, in dem es keine Religionsfreiheit gibt, ein autoritäres Regime. Sie versuchen, den Menschen Sand in die Augen zu streuen. Sie tun so, als wenn es um eine normale Regierung ginge, die man jetzt nur noch in den Bereichen Demokratieförderung und Rechtsstaatlichkeit unterstützen möchte. Das hat mit der Situation in Somalia überhaupt nichts zu tun. Ich bitte Sie, sich die Realität in diesem Land anzuschauen: Es herrscht die Scharia. Da können Sie mir nicht sagen, dass dieses Land auf dem Weg der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn wir uns die Begründung der Bundesregierung für die Verlängerung dieses Einsatzes im Antragstext selbst einmal anschauen, stoßen wir auf eine regelrechte Aufzählung der Erfolge der bisherigen Bundeswehreinsätze. Tausende somalische Soldaten wurden ausgebildet. Dies wird in einen scheinbaren Zusammenhang mit dem Zurückdrängen der Al-Schabab-Milizen am Horn von Afrika gebracht. Aber ist die Entsendung der Bundeswehr wirklich mit einer Erfolgsgeschichte verbunden?
(Thomas Hitschler (SPD): Ja!)
Oder ist sie nicht vielmehr eine weitere abenteuerliche Unternehmung der deutschen Außenpolitik, um mit viel Geld wenig symbolische Weltgeltung erreichen zu können?
Ja, weil die politische Situation, die Sie laut Ihrem Antrag zum Positiven wenden wollen, immer weiter eskaliert.
(Florian Hahn (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)
Sicher, die al-Schabab sind zurückgedrängt worden. Aber ich frage Sie: Zu welchem Preis? Die Erfolge sind zu einem Gutteil den Truppen des Nachbarlandes Kenia zu verdanken, das im somalischen Bürgerkrieg nun kräftig mitmischt.
Ich bitte Sie, sich auch die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes anzuschauen: Anschläge, Kämpfe, bewaffnete Auseinandersetzungen prägen das Bild Kenias in den Reisewarnungen. Immer stärker werden auch dort Touristen bedroht. Das heißt, eine der Haupteinnahmequellen des Landes Kenia droht wegzubrechen.
Sicher, al-Schabab ist zurückgedrängt; aber zugleich wurde der somalische Bürgerkrieg stark ausgeweitet. Da frage ich Sie: Sehen so eigentlich Erfolge aus? Mittlerweile denkt die politische Klasse Kenias laut über Verhandlungen über eine politische Lösung mit den al-Schabab nach. Ich frage mich: Warum setzt die Bundesregierung im Gegenteil weiter auf einen Krieg, der so überhaupt nicht zu gewinnen ist?
(Beifall bei der LINKEN)
Wir Linke finden: Wir brauchen eine politische Lösung. Auch in Somalia gilt: Verhandeln ist allemal besser, als zu schießen oder eben ein solch autoritäres Regime mit Militärausbildern zu unterstützen.
Ein Weiteres möchte ich ansprechen. Deutschland ist leider nicht nur mit Militärausbildern an dem schmutzigen Krieg in Somalia beteiligt. Somalia ist neben Pakistan, Afghanistan und dem Jemen das Land, das die meisten Opfer durch Drohnenmorde der USA zu beklagen hat. Bei den extralegalen Hinrichtungen der Al-Schabab-Kämpfer werden eben auch viele Zivilisten getötet. Das ist das eine.
Das andere aber ist, dass diese Morde mit Unterstützung aus den US-Stützpunkten auf deutschem Boden, nämlich Ramstein in Rheinland-Pfalz und AFRICOM in Stuttgart, Baden-Württemberg, begangen werden. Auf beharrliches Nachfragen meiner Fraktion hat die Bundesregierung Fragen dazu an die USA geschickt. Die USA haben – wen wundert es? – in ihren Antworten an die Bundesregierung verneint, dass Ramstein und Stuttgart mit in die Mordstrategie mittels Drohnen eingebunden seien.
Da frage ich Sie: Warum glauben Sie den USA, obwohl ehemalige Beteiligte an diesem Mordprogramm ganz klar ausgesagt haben, auch im deutschen Fernsehen, dass die US-Stützpunkte in Deutschland bei den Drohnenmorden in Somalia eine zentrale Rolle spielen? Warum gehen Sie diesen Aussagen nicht nach und veranlassen entsprechende Inspektionen und Untersuchungen der US-Stützpunkte?
(Beifall bei der LINKEN)
Ich will es Ihnen sagen: Weil Sie nicht bereit sind, die demokratische Souveränität in Ramstein und in Stuttgart durchzusetzen! Wenn Sie wirklich bereit wären, dem Grundgesetz in Deutschland Geltung zu verschaffen, bliebe Ihnen nichts anderes übrig –
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Bitte denken Sie an die Redezeit.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
– ja, das ist mein letzter Satz, Frau Präsidentin -, als diese Mordzentren zu schließen oder zumindest sich als Regierung und Parlament selbst ernst zu nehmen und in diesen Stützpunkten Untersuchungen durchzuführen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)