Soziale Frage zentral
Walter Benjamin hat einmal gesagt: "Solange es noch einen Bettler gibt, solange gibt es noch Mythos."
Wenn wir uns die jüngsten Ausführungen der SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles zum Thema Armut anschauen, wissen wir wie treffend dieser Satz ist. Nahles versuchte schlicht die Armut in Deutschland wegzureden. Armut fange erst dann an, wenn jemand hungere oder obdachlos sei. Das ist natürlich ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die von wachsender Armut betroffen sind.
Selbst in der eigenen Partei brauchte es bis vor kurzem nach viel Aufklärungsbedarf um das Ruhrgebiet, wo wir inzwischen ja von einem armutspolitischen Erdrutsch sprechen, auch nur im Wahlprogramm zu erwähnen. Nein nur der Osten sei betroffen, oder auch das Ruhrgebiet nur in Teilen. Jeder der genau hinschaute, wusste, dass dies nicht stimmte; Aber zu wirkungsmächtig sind oft die alten Bilder in den Köpfen, die fortleben auch wenn sich die Situation grundlegend gewandelt hat.
Der Kapitalismus am Rhein erscheint immer noch in den Köpfen auf. Wie in einem Fassbinder-Film: Wo es auf die Frage ‚was Marktwirtschaft ist‘, es heißt, Marktwirtschaft ist wenn einige viel und viele wenigstens ein bisschen verdienen.
Auch wenn dies selbst für den rheinischen Kapitalismus nur bedingt galt, so ist klar, wir sind vom Rhein heute weit entfernt. Weltweit, aber gerade auch in Deutschland führen die kapitalistische Enteignung zu einer immer ungerechteren Gesellschaft. Der wachsende Reichtum einiger weniger, steht der brutalen Proletarisierung von immer mehr Menschen gegenüber, die als arbeitende Arme ihr Dasein fristen. Das Ruhrgebiet mit seinen über 5 Millionen Einwohnern trifft es in Deutschland mit am härtesten. Alles Gerede vom Strukturwandel ist angesichts von Entindustrialisierung, Werkschließungen, Lohnkürzungen und Flexibilisierung nichts als ein frommer Wunsch.
Armutspolitisch ist es eine Rückkehr in Richtung Ruhr des 19. Jahrhunderts. Die soziale Frage in aller Dringlichkeit steht erneut auf der Tagesordnung. Die Frage die uns heute beschäftigt soll sein: Was tun? Wie können wir gegen die wachsende Ungleichheit handeln? Müssen wir die Eigentumsfrage stellen? Wie können wir die Verelendung einer ganzen Region und vieler Menschen, die hier wohnen stoppen?
Für mich ist die soziale Frage zentral auch für DIE LINKE. Um diese Frage muss sie sich inhaltlich und organisatorisch gruppieren. So wünsche ich mir, muss sie in die Wahlkämpfe gehen, so muss sie an der Seite der Beschäftigten, Erwerbslosen und Entrechteten stehen.
Das Ruhrgebiet ist unfreiwilligerweise ein gutes Pflaster die soziale Frage zu stellen. Und es ist dies immer gewesen. Keine Dreißig Kilometer sind es bis ins heutige Wuppertal, wo Friedrich Engels 1820 in Barmen geboren wurde. Sein Werk Zur Lage der arbeitenden Klasse in England 1845 war eine Grundlegung nicht nur für Marxismus und Kapitalismuskritik, sondern auch für die empirische Soziologie.
Hier im Ruhrgebiet wollen wir heute neu beginnen an Antworten auf die soziale Frage zu arbeiten. Ich wünsche uns eine erfolgreiche Konferenz.