Soziale Sicherheit statt EU-Militarisierung

Gemeinsame Erklärung von Abgeordneten der nationalstaatlichen Parlamente und des Europäischen Parlaments zur Gemeinsamen Europäischen Außen- und Sicherheitspolitik:

Wir, die unterzeichnenden Abgeordneten der nationalstaatlichen Parlamente und des Europäischen Parlaments, wenden uns bei dem Treffen in Dublin am 24. und 25. März 2013 anlässlich der Tagung der Interparlamentarischen Konferenz zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gegen die derzeit von der EU verfolgte Politik und erklären:

Soziale Sicherheit statt EU-Militarisierung

Angesichts der schweren, sich weiter vertiefenden wirtschaftlichen und sozialen Krise in der Europäischen Union und einer andauernden Bankenkrise, deren Kosten der Öffentlichkeit und, wie jetzt am Beispiel Zypern zu sehen, gerade den Beschäftigten, Studierenden und Rentnern angelastet werden sollen, nehmen die sozialen Sorgen und die Verunsicherung der Bevölkerungen in der EU zu. In dieser Krise rüsten die Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiter auf; durch die Aktivierung gemeinsamer Rüstungsanstrengungen, vor allem im Auftrag der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA), werden etwaige Kürzungen der Militärhaushalte bei weitem kompensiert. Ziel europäischer Außen- und Sicherheitspolitik bleibt der Ausbau imperialistischer Einflussnahme, vor allem im Interesse der großen Mitgliedstaaten, wie auch die Unterstützung dieser Interessendurchsetzung durch den Ausbau militärischer Interventionsfähigkeiten, um künftig noch häufiger Krieg führen zu können. Die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist gekennzeichnet von einer zunehmenden Militarisierung und Entdemokratisierung. Vor diesem Hintergrund fordern wir einen fundamentalen Wechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik mit folgenden Prioritäten:

  1. Sichere Arbeitsplätze, gute Löhne und Renten, soziale Sicherheit und eine gute Gesundheitsver­sor­gung. Haushaltsmittel müssen deshalb zur Stärkung der sozialen und wirtschaftlichen Sicherheit aufgewendet werden. Im Bereich der Militärpolitik muss es zu radikalen Einschnitten kommen.

2. Außen- und Sicherheitspolitik müssen entmilitarisiert werden. Aggressive Militärpakte wie die NATO, die in Afghanistan und Libyen Krieg führt bzw. geführt hat, sind aufzulösen. Die soge­nannte Partnerschaft für den Frieden, als NATO-Light-Mitgliedschaft, ist abzulehnen. Die Zu­sammen­arbeit von NATO und EU ist einzustellen.

3. Die EU-Mitgliedstaaten sind mittlerweile Weltmeister bei Rüstungsexporten. EU-Rüstungsexporte tragen weltweit zu Konfliktverschärfung, Gewalt und Tod bei. Das Geschäft der EU mit dem Tod muss beendet werden. Gerade auch Rüstungsexporte mit dem Ziel völkerrechtswidriger Re­gime­wechsel, wie in Syrien, müssen unterbunden werden.

4. EU-Ausbildungs- und Militärberatungsmissionen tragen global zu einer realen Gefährdung des Friedens in der Welt bei. Die Missionen im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Verteidi­gungs- und Sicherheitspolitik, die dazu dienen, durch Ausbildung, Militärberatung und Lieferung militärischer Güter in Bürgerkriege zu intervenieren, wie in Mali und Somalia, sind zu beenden.

5. Die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik ist für demokra­ti­sche Entscheidungsprozesse unzugänglich. Nationalstaatliche demokratische Souveränität wird durch eine europäische Multilateralität zunehmend ausgehöhlt. Die Rechte der Parlamente in den EU-Mitgliedstaaten bei der Entsendung von Truppen werden ausgehebelt. Dieser Prozess muss ge­stoppt werden. Die Bevölkerungen müssen das Entscheidungsrecht gerade auch in diesem sensi­blen Bereich der Sicherheitspolitik haben.

6. Die in der Europäischen Außenpolitik weit vorangeschrittene Integration von militärischen und zi­vi­len Instrumenten wie humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit lässt letztere zu bloßen Anhängseln einer auf Interessen ausgerichteten militarisierten Außenpolitik erscheinen. Im In­teresse der Achtung des wichtigen Prinzips der Unparteilichkeit in sensiblen und kon­flikt­be­lasteten Gebieten muss Hilfsorganisationen die Möglichkeit eingeräumt werden, in tatsächlicher oder angenommener Eigenverantwortung und Unabhängigkeit von politischem Handeln und militärischen Operationen zu agieren. Die Integration erschwert derzeitig gerade in Krisen- und Konfliktsituationen dringend notwendige unparteiische Hilfe für Menschen in Not. Dieser heutige „umfassende" oder „vernetzte" Ansatz, in dessen Folge u. a. Militäreinsätze in Afrika aus dem Europäischen Entwicklungsfonds finanziert werden, ist aufzugeben.

7. Das Europa dieser systemischen Krise ist zunehmend ein Europa der Ausbeutung, der Armut und des Krieges. Die Profiteure und Verursacher der Krise müssen endlich zur Verantwortung gezogen werden. Dem EU-Militarismus gilt unser Kampf. Es ist höchste Zeit für eine andere, eine sozial gerechte und friedliche Sicherheitspolitik im Interesse der Bevölkerungen der Europäischen Union.

Besonders heute erklären wir angesichts der sich verschärfenden Krise in Zypern unsere Solidarität mit den Menschen auf Zypern, die sich dem Angriff der berüchtigten Troika ausgesetzt sehen, und bestätigen nochmals unsere Solidarität mit den Menschen in Portugal, Spanien, Griechenland und Irland, die unter einem anhaltenden Sparzwang stehen. Wir bekräftigen nochmals unsere Forderung nach einer Trennung der Staatsschulden von den privaten Schulden. Europa muss echte Solidarität zeigen.

Sevim Dagdelen, Mitglied des Deutschen Bundestages, Die LINKE

Christos Karagiannidis, Mitglied im Griechischen Parlament, SYRIZA

Sean Crowe, TD Irisches Parlament, Sinn Fein

Sabine Lösing, Mitglied des Europäischen Parlaments, GUE/NGL, DIE LINKE

Dublin, den 25.3.2013