Sparen wir uns die EU-Militäreinsätze
Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu den Anträgen der Fraktion der SPD "Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) weiterentwickeln und mitgestalten" (BT-Drs. 17/7360, 17/8507) sowie der Fraktion DIE LINKE. "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU wirksam kontrollieren" (BT-Drs. 17/5387, 17/8807)
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kiesewetter, eines ist ganz deutlich geworden: Unter Stärkung der parlamentarischen Kontrolle bei der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verstehen Sie eigentlich nur die Durchsetzungskraft deutscher Interessen, aber nicht, eine echte parlamentarische Kontrolle der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einzurichten.
(Beifall bei der LINKEN – Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Das ist doch Quatsch!)
Während die Zahl der Missionen vor allen Dingen die der Militärmissionen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, aber auch im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik immer weiter zunimmt und der Haushaltstitel für eine global agierende Europäische Union mittlerweile milliardenschwer ist und jedes Jahr exorbitant steigt, fristet die parlamentarische Kontrolle von GASP- und GSVP-Missionen immer noch ein stiefmütterliches Dasein. Vor diesem Hintergrund bedauert es die Linke, dass alle anderen im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen einen Antrag meiner Fraktion zur Etablierung einer GASP-Versammlung mit wirklichen, echten parlamentarischen Kontrollrechten in den entsprechenden Ausschüssen unisono zurückgewiesen haben.
Im vorliegenden Antrag der SPD heißt es, die „gestalterische Kraft" Deutschlands fehle ganz besonders „für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik". Sie schreiben, hier sei „seit Jahren nichts mehr passiert". Da fragt man sich: Wo leben Sie eigentlich? Sie erwähnen in Ihrem Antrag doch selbst das Weimarer Dreieck, und die Gent-Initiative zum Pooling und Sharing ist an Ihnen offensichtlich ganz vorbeigegangen.
Im Kern geht es eben wohl doch darum, unter deutscher Vorherrschaft ein eigenständiges EU-Hauptquartier und ständig bereitstehende zivil-militärische Battle Groups, also Kampftruppen, Schlachttruppen aufzustellen.
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ja, so heißt das. Wie würden Sie denn „Battle Groups" übersetzen? Sie gehen sogar noch weiter mit der Forderung, dass Deutschland eine Vorreitergruppe beim Ausbau gemeinsamer militärischer Fähigkeiten bilden soll. Genau das treibt den Keil in die Europäische Union, den Sie als tiefste Krise der EU seit ihren Anfängen monieren.
Die Linke ist gegen eine deutsche Vorreiterrolle. Wir wollen eine entmilitarisierte EU-Außenpolitik und ein friedliches Europa.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb finden wir es eben auch skandalös, dass wir gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, während überall von Sparen und Spardiktaten gesprochen wird, in der Europäischen Union eine Mammutbehörde haben, nämlich den Europäischen Auswärtigen Dienst, der letztes Jahr rund eine halbe Milliarde Euro „gefressen" hat. Was könnte man hier in Europa mit diesem Geld vor allen Dingen im sozialen Bereich nicht alles erreichen!
(Beifall bei der LINKEN)
Für die Militarisierung haben Sie immer Geld, alles andere soll gespart werden.
(Dr. Wolfgang Götzer (CDU/CSU): So ein Unsinn! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Was reden Sie da eigentlich?)
Auch sonst kann nicht im Geringsten davon die Rede sein, dass in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik nichts passiert. Die EU hat ein umfangreiches Sanktionsregime entwickelt, das in der Elfenbeinküste, in Libyen, in Syrien die Eskalation zu Bürgerkriegen begünstigt hat und in einen Krieg mit dem Iran zu münden droht.
(Joachim Spatz (FDP): So ein Quatsch! Wer hat denn dort das Problem gelöst? Dummes Geschwätz jedenfalls nicht!)
Das glauben auch nur Sie. Wovon träumen Sie eigentlich nachts? Sehen Sie sich die Elfenbeinküste an! Die EU hat Berater und Grenzschützer nach Libyen entsandt und finanziert mit ihrer Sahel-Strategie die Militarisierung der Sahara. Sie bereitet gegenwärtig eine GSVP-Mission in Mauretanien, Niger und Mali vor, dort, wo gerade ein Aufstand und ein Putsch stattgefunden haben. All das geschieht ohne jede Kontrolle des Europäischen Parlaments oder der nationalen Parlamente.
Auch zum Horn von Afrika hat die EU mittlerweile eine eigene Strategie entwickelt. Sie hat ein eigenes Operationszentrum errichtet und plant ihre mittlerweile dritte GSVP-Mission. Das erweiterte Mandat für die Operation Atalanta wurde mit der somalischen Übergangsregierung abgestimmt und vom Rat beschlossen, bevor es dem Bundestag auch nur ansatzweise vorlag. Und da sprechen Sie hier von parlamentarischen Rechten!
Für die EU-Trainingsmission EUTM SOM für die Übergangsregierung wurde niemals ein Mandat des Bundestages eingeholt, und sie wurde über den Ablauf des EU-Mandates hinaus stillschweigend fortgesetzt. Unsere Kleine Anfrage zur geplanten Mission zur maritimen Aufrüstung der Verbündeten in der Region blieb faktisch unbeantwortet.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Kollegin Dagdelen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spatz?
(Zuruf von der CDU/CSU: Längere Redezeit!)
Das würde Ihnen die Redezeit tatsächlich verlängern.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Ja, sehr gern.
Joachim Spatz (FDP):
Auch wenn man das billigend in Kauf nehmen muss, habe ich doch einmal eine Frage.
Was hätten Sie denn gesagt, wenn hier im Deutschen Bundestag ein Mandat vorgelegt worden wäre, das mit der somalischen Regierung nicht abgestimmt gewesen wäre? Dann wäre genau das doch Ihr Vorwurf gewesen. Sie müssen sich schon einmal entscheiden, ob Sie Ownership so hoch hängen, wie wir das tun, und erst die Betroffenen fragen oder ob Sie hier einfordern, dass das Mandat gewissermaßen im Verhandlungsstadium hätte vorliegen müssen.
Sevim Dagdelen (DIE LINKE):
Herr Kollege Spatz, Sie sprechen gerade etwas an, worüber wir im Deutschen Bundestag überhaupt nicht haben beraten können. Das ist ja meine Kritik.
(Joachim Spatz (FDP): Das kommt ja noch!)
Sie sagen: „Das kommt ja noch". Die Mission EUTM SOM läuft schon seit Jahren. Wir haben hier im Deutschen Bundestag nicht einmal eine Diskussion oder eine Debatte über dieses Mandat gehabt. Es gibt einen Antrag der Linksfraktion, darüber hier zu debattieren. Wir fordern, dass der Parlamentsvorbehalt endlich einmal wahrgenommen und ernst genommen wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie entparlamentarisieren das System und höhlen den Parlamentsvorbehalt aus, indem eben nur noch auf europäischer Ebene über die Mandatierungen gesprochen und abgestimmt wird und das Kabinett und nicht das Parlament entscheidet. Das kritisiert die Linke hier. Wir sind für echte parlamentarische Kontrollrechte. Das geht nur, wenn Sie uns die entsprechenden Vorlagen liefern, wir hier in den Ausschüssen und im Deutschen Bundestag darüber diskutieren und Sie nicht eine heimliche Außenpolitik im Hinterzimmer betreiben. Herr Kollege Spatz, das müssen Sie auch einmal ernst nehmen.
(Beifall bei der LINKEN – Joachim Spatz (FDP): Nein, das darf man gar nicht ernst nehmen!)
Deshalb fordert die Linke echte parlamentarische Mitbestimmung und Transparenz in der europäischen Außenpolitik, meine Damen und Herren. Dies kann mit einer interparlamentarischen Versammlung, wie wir sie in unserem Antrag fordern, erreicht werden, und zwar mit ständigen Strukturen und substantiellen Kontroll- und Vetorechten. Das wäre ein wirklicher Beitrag zum Frieden.
Ich bitte Sie deshalb: Springen Sie einfach über Ihren Schatten und stärken Sie Ihre eigenen parlamentarischen Rechte! Entmachten Sie sich nicht weiterhin selbst dadurch, dass Sie sich selbst Ihre parlamentarischen Rechte beschneiden.
(Beifall bei der LINKEN – Heike Hänsel (DIE LINKE): Mehr Demokratie wagen! Auch im Parlament!)