Sprachtest steht der Liebe im Weg

Die Große Koalition hat sich eine bessere Integration versprochen und Zwangsehen verhindern wollen: Seit einem Jahr müssen bestimmte Ausländer etwas Deutsch können, bevor sie zu ihrem Ehepartner in die Bundesrepublik ziehen. Sicher ist nur, dass vorerst weniger kommen.
Von Michael Trauthig

Die Anforderungen, die seit August vergangenen Jahres für die Familienzusammenführung gestellt werden, scheinen nicht besonders hoch. "Einfache Deutschkenntnisse" müssen Ehepartner aus visumpflichtigen Ländern nachweisen, bevor sie ihrer Liebe folgen. Konkret heißt das, rund 650 Wörter beim Lesen oder Hören zu verstehen, rund die Hälfte davon beim Sprechen oder Schreiben zu verwenden und alles zusammen in einem Test nachweisen zu können. Das hört sich nach einer lösbaren Aufgabe an, stellt aber manche Betroffene vor große Probleme, etwa wenn das für die Tests zuständige Goethe-Institut nicht um die nächste Ecke liegt.

Beim Verband binationaler Familien weiß man von solchen Fällen. Da gibt es die Verlobte eines Deutschen in der chinesischen Provinz. Sie wohnt drei Flugstunden vom nächsten Goethe-Institut in Peking entfernt und muss für den Sprachkurs in die chinesische Hauptstadt ziehen, wo sie höhere Lebenshaltungskosten, aber keine Freunde hat.

Oder da ist die syrische Frau eines Deutschen, die als Schwangere 1000 Kilometer bis nach Damaskus oder 800 Kilometer bis nach Aleppo pilgern soll. Finanzielle und logistische Probleme liegen da auf der Hand. Deshalb mahnt der Verband für solche Betroffenen zumindest Härtefallregeln an. Auch Lernsoftware sei oft – wegen mangelnder Stromversorgung etwa in Kenia – keine Alternative. "Man darf nicht so tun, als ob es in jeden Winkel der Welt einen Internetzugang gäbe", sagt Hiltrud Stöcker-Zafari von der Bundesgeschäftsstelle. Zahlreiche Paare würden über Monate getrennt. Manchmal zerbreche die Liebe. Außerdem beklagt sie, dass häufig Analphabeten auf der Strecke blieben, weil es für sie keine Kurse gebe. "Diese Regelung ist familienfeindlich", betont Stöcker-Zafari.

Eine neue Erhebung untermauert den Vorwurf des Verbands. So ist die Zahl ausländischer Ehegatten gesunken, die ihrem Partner in die Bundesrepublik folgen. Dies zeigt die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei. Danach kamen aus den 15 wichtigsten Herkunftsländern wie der Türkei, Russland oder Thailand im zweiten Quartal dieses Jahres 23 Prozent weniger Ehegatten ins Land als im Vorjahresquartal. Statt 7245 waren es noch 5567. Allerdings hat sich der Rückgang, gemessen an den beiden Quartalen zuvor, abgeschwächt. Dies legt den Schluss nahe, dass viele Liebende in der Zwischenzeit gepaukt und die Sprachhürde trotz aller Schwierigkeiten überwunden haben. Bei den türkischen Staatsbürgern ist das Minus zum Beispiel jetzt nur noch so hoch wie im Durchschnitt. "Dort wurde das Kursangebot ausgebaut", sagt Stöcker-Zafari. Die Linkspartei sieht gleichwohl den Beleg erbracht, dass manche Menschen dauerhaft nicht die verlangten Fähigkeiten in ihren Heimatländern erwerben könnten. Die Vorschrift "stellt einen schweren Eingriff in das Grundrecht auf besonderen Schutz von Ehe und Familie dar", sagt die migrationspolitische Sprecherin Sevim Dagdelen und beklagt "dramatische Einzelschicksale".

Die Koalition gibt sich aber gelassen. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, erneuerte mit Blick auf die Zahlen seine Ankündigung, das Gesetz werde bald auf unerwünschte Nebenwirkungen hin überprüft. Dagdelen ist dennoch skeptisch: Die Ankündigung werde zu keinem Ergebnis führen. Stöcker-Zafari gibt sich etwas optimistischer. Wiefelspütz nähre die Hoffnung auf Härtefallregeln. Gleichzeitig setzt die Expertin auf die Justiz. Ob die Vorschrift Bestand habe, werde letztlich durch das Verfassungsgericht entschieden, sagt sie.