Stellung der Verbraucherinnen und Verbraucher muss gestärkt werden
Die Regierungskoalition hat es geschafft.
Sie legte uns zuerst unter gewohnt geschmeidiger Titulierung den Entwurf eines „Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatungvor", das war – merke!- am 24. April diesen Jahres.
Und im Schnellverfahren soll das Ganze heute zu einem Abschluss kommen.
Offensichtlich ist der Bundesregierung kurz vor Ablauf dieser Wahlperiode aufgefallen, dass das alte Schuldverschreibungsgesetz bereits in die Jahre gekommen ist. 110 Jahre – um genau zu sein. Nun – wahrhaftig, da kommt es mit den euphemistisch so genannten dynamischen Entwicklungen am Finanzmarkt nicht mehr so recht mit.
Na, in anderen Bereichen ist das Beharrungsvermögen auch recht groß.
Und so hat die Koalition – immer den Blick auf die neuesten Entwicklungen – in der ihr ganz eigenen Art auch überraschend „schon" in dieser Woche den Beschlußantrag „Verbraucherschutz bei Finanzdienstleitungen erweitern und durchsetzen" eingebracht. Richtig! Es hat lange gedauert bis der Koalition eingefallen ist, dass der Steuerbürger – der gerade zur Rettung der Banken getreu dem kapitalistischen Motto „Gewinne werden privatisiert und Verluste vergesellschaftet" geschröpft wurde – doch gleichzeitig irgendwie auch Verbraucher ist. Und weil doch gerade Wahlkampf ist, will die Koalition ja nicht nur negativ beim Steuerzahler und Verbraucher auffallen.
Um nicht missverstanden zu werden, Maßnahmen für eine nachhaltige Bereinigung von Irrungen im Finanzmarkt sind höchst angebracht. Ich darf darauf hinweisen, dass DIE LINKE bereits im Dezember 2008 ihren Antrag „Verbesserung des Verbraucherschutzes beim Erwerb von Kapitalanlagen" mit der Drucksachennummer 16/11185 eingebracht hatte. Gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Finanzkrise und den tiefgreifenden Einbrüchen im Kredit- und Immobiliensektor, dem Renditedruck, dem Kreditinstitute auf den internationalen Finanzmärkten unterworfen sind und entsprechend ihr Risikoverhalten fundamental in Richtung einer dramatischen Absenkung des Risikobewussteins verändert hat, muss die Stellung der Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass Bürgerinnen und Bürger durch den Abbau von Sozialleistungen von der Bundesregierung immer stärker in langfristige Geldanlagen oder Kreditnahmen gedrängt werden, um zum Beispiel für ihre Alterssicherung oder Ausbildungen Vorsorge zu tragen.
Doch unsere Vorschläge waren der Großen Koalition wohl doch zu sehr zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Ablehnung eines tatsächlich an den aus der Krise gewonnenen Konsequenzen orientierten Verbraucherschutzes war dann für die Koalition am 14. Mai 2009 nur folgerichtig.
Aber seien wir fair: Die Modernisierung des Schuldverschreibungsgesetzes war überfällig und ist – als Instrument außergerichtlicher Sanierung – ein wichtiges Mittel, dessen Bedeutung gerade angesichts der Finanzkrise nicht zu unterschätzen ist.
Das SchuldVG fasst die Inhaber von Schuldverschreibungen angesichts der Tatsache, dass sie gegenüber dem Emittenten gleichgerichtete Interessen verfolgen, zu einer gesetzlich verfassten Interessengemeinschaft zusammen und regelt Handlungs- und Beteiligungsrechte wie Gläubigerversammlung, Gläubigerverteter und Mehrheitsverhältnisse etc. Sachlich gesehen ist das Gesetz vor allem Sanierungs- und Insolvenzrecht. Die neuen Regelungen erweitern den Anwendungsbereich auch auf Emittenten mit Sitz außerhalb Deutschlands, erleichtern die Willensbildung der Gläubiger und erweitern die kollektive Bindung aufgrund von Mehrheitsentscheidungen.
Der Entwurf legt also einen Paradigmenwechsel von der einfachen gemeinschaftlichen Interessenvertretung hin zu einem effektiven Sanierungsinstrument vor, in dem widerstreitende Gläubigerinteressen eingebunden werden. Dies wird nicht zuletzt auch durch das Sonderinsolvenzrecht nach den §§ 18 Schuldverschreibungsgesetz sichergestellt. Dennoch steht es in einem gewissen Wertungswiderspruch zur ratio des Gesetzgebers der Insolvenzordnung, der das gerichtliche Sanierungsverfahren präferiert.
Soweit der Gesetzentwurf sich der Anlageberatung annimmt, ist es erklärtes Ziel, die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu erleichtern. Wenn der Gesetzentwurf jedoch einleitet mit der Feststellung, dass „gerade im Zusammenhang mit der Finanzmarktkrise sich gezeigt habe, dass viele *Anleger* die Risiken der teilweise hochkomplexen Produkte nicht hinreichend verstehen", macht er deutlich, dass hier noch von einer falschen Prämisse ausgegangen wird. Denn es sind vor allem die Bankberater, die die Produkte nicht verstehen und sie dennoch – auch trotz der Erkenntnisse aus der Finanzkrise – an den Kunden bringen, wie auch erst kürzlich durchgeführte Untersuchungen in den Medien ergeben haben. Insofern ist jedenfalls die Protokollierung schon vor diesem Hintergrund unabdingbares Instrument, um eine Sensibilisierung der Berater zu erreichen. Zutreffend weist der Bundesrat in seiner Stellungnahme darauf hin, dass das Wertpapierhandelsgesetz nur einen sehr eingeschränkten Anwendungsbereich hat. Nicht erfasst werden die diversen Fonds.
Daher ist eine umfassende Strategie zum Verbraucherschutz im Bereich der Kapitalanlagen und anderen Finanzdienstleistungen unsere fortbestehende dringende Forderung. Dazu gehört etwa die Beweislast bei der Anlageberatung umzukehren. Genauso dazu gehört, die Verpflichtung, den Anlegern ein einheitliches, verständliches und nicht manipulierbares Beratungsprotokoll vorzulegen. Die Beratungsdokumentation ist in Anlehnung an die §§ 6 und 62 des Versicherungsvertragsgesetzes auszuführen. Der Nachweis eines konkreten Schadens ist im Sinne von § 44 des Börsengesetzes zu erleichtern. Die Haftung der Emittenten von Kapitalanlageprodukten und der Mitglieder der Leitungs- und Aufsichtsorgane des Emittenten bei Verbreitung falscher Angaben über das Produkt ist zu verschärfen. Dabei kann angeknüpft werden an den von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung am 7. Oktober 2004 erarbeiteten, aber nicht eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Haftung für falsche Kapitalmarktinformationen.
Längst überfällig ist auch die Einführung eines Anti-Wuchergesetzes, um die intransparente Kreditpraxis insbesondere bei der Vergabe von Kleinkrediten zu bekämpfen. Nach Prof. Dr. Udo Reifner vom Institut für Finanzdienstleistungen in Hamburg wird die tatsächliche Zinsbelastung eines Kredits oft verschleiert, indem Kreditkosten in einer Restschuldbefreiungsprämie sowie deren Finanzierungskosten versteckt würden, die bei der üblichen Umschuldung zu Buche schlügen.
Schließlich ist die unabhängige Verbraucherberatung in Finanzdienstleistungen kurzfristig so auf- und auszubauen, dass mindestens ein Prozent der Privathaus- halte jährlich beraten werden kann. Dies muss finanziell dauerhaft und in ausreichender Höhe abgesichert werden. Zur Durchführung der Finanzberatung müsste eine spezialisierte „Verbraucherzentrale Finanzen" bei den Verbraucherzentralen sowie bei dem Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. eingerichtet werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf bleibt nach alledem mutlos hinter den Möglichkeiten zurück, die wir bereits im erwähnten Antrag vorgeschlagen haben.
Weder die unabhängige und fachliche Finanzberatung findet hier Niederschlag noch die über das dortige Vorschlagsprogramm hinausreichende Überlegung einer „Marktbereinigung" durch das Hinwirken auf ein konzertiertes Verbot von bestimmten Finanzprodukten in mindestens europäischer, besser in globaler Kooperation.
Es ist aber nicht zu verkennen, dass die Koalition sich In ihrem Beschlussantrag zumindest unseren hier und schon früher geäußerten Forderungen annähert.
Es besteht aber gerade deshalb erheblicher Nachbesserungsbedarf.