Strafmaßnahmen gegen die Türkei vor dem Hintergrund von Festnahmen
Inwieweit setzt sich die Bundesregierung in der EU gegebenenfalls für Strafmaßnahmen gegen die Türkei ein, beispielsweise mit dem Ziel, dass der Europäische Auswärtige Dienst eine Liste mit Personen und Organisationen vorlegt, die mit Einreiseverboten und Vermögenssperren belegt werden können, vor dem Hintergrund, dass in der Türkei bei einem Großeinsatz in 40 Provinzen mehr als 700 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zur kurdischen Arbeiterpartei PKK (dpa vom 15. Februar 2021) sowie türkeiweit unter unverhältnismäßiger Gewalt bisher Hunderte Menschen im Zusammenhang mit den Protesten gegen die Aufzwingung eines vom türkischen Präsidenten ernannten Rektors entgegen der akademischen Freiheit und Autonomie von Universitäten in der Türkei festgenommen wurden (dpa vom 18. Februar 2021), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Ankündigung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, Militäreinsätze seines Landes auszuweiten, um jenseits der Grenzen einen Sicherheitsbereich zu erschaffen (dpa vom 16. Februar 2021), vor dem Hintergrund, dass die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags bezweifeln, dass die Türkei eine Selbstverteidigungslage geltend machen könne und somit mit ihrem Vorgehen gegen das Gewaltverbot aus Artikel 2 Ziffer 4 der VN-Charta verstößt (WD 2 – 3000 – 057/20, Seite 7)?
Antwort des Staatsministers Niels Annen auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Die Bundesregierung blickt mit großer Sorge auf die jüngsten Verschärfungen des innenpolitischen Klimas in der Türkei. Die vorübergehenden Verhaftungen von Demonstrierenden und das Versammlungsverbot im Zusammenhang mit den Protesten um die Bosporus-Universität in Istanbul sind äußerst beunruhigend. Gleiches gilt für das strafrechtliche Vorgehen gegen zahlreiche Mitglieder und Abgeordnete der Demokratischen Partei der Völker (HDP) als zweitgrößter Oppositionspartei im türkischen Parlament.
Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind Grundrechte und demokratische Mindeststandards, zu deren Einhaltung auch die Türkei als Beitrittskandidatin zur Europäischen Union (EU) und Mitglied des Europarats verpflichtet ist. Gleichzeitig erwartet die Bundesregierung von der HDP eine klare Abgrenzung gegenüber der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die auch in der EU als terroristische Organisation gelistet ist.
Die Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Dr. Bärbel Kofler, MdB, hat sich zu den aktuellen Vorgängen kritisch geäußert. Auch die EU hat ihre Sorge zum Ausdruck gebracht.
Hinsichtlich der Äußerung des türkischen Staatspräsidenten Erdogan, wonach die Türkei ihre Militäroperation gegen PKK-Stellungen in Nordirak auf weitere Gebiete ausdehnen werde, wird auf die Antwort auf die mündliche Frage 77 vom 24. Februar 2021 verwiesen. Darüber hinaus beteiligt sich die Bundesregierung nicht an Spekulationen über etwaige künftige türkische Militäroperationen und deren völkerrechtliche Bewertung.