Streit um Kaisers Bart

Ein heftiger Streit ist in der großen Koalition um die Aufrüstung Deutschlands entbrannt. Zwei Positionen scheinen sich dabei unversöhnlich gegenüberzustehen. SPD-Kanzlerkandidat Schulz und der Fraktionsvorsitzende Oppermann setzen auf eine Erhöhung der Rüstungsausgaben im Rahmen der EU statt der Erfüllung des NATO-Ziels, das den Mitgliedsstaaten vorschreibt, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts fürs Militär zu verwenden. CDU-Verteidigungsministerin von der Leyen gibt weiterhin der Aufrüstung im Bund mit der NATO den Vorrang und merkt zu Recht an, dass sich die SPD selbst in die Tasche lüge, »wenn sie glaubt, dass Sicherheit in Europa billiger zu haben ist als unter dem Schutzdach der NATO«.

Ob etwas mehr EU oder etwas mehr NATO, dieser Streit ist nichts als ein Streit um des Kaisers Bart, denn gemeinsam haben Union und SPD bereits dieses Jahr den Rüstungshaushalt um acht Prozent auf 37 Milliarden Euro erhöht. Gemeinsam treiben beide die deutsche Aufrüstung mittels der EU und der NATO voran. Dazu kommt, dass EU und NATO gerade in bezug auf Auslandseinsätze und die neuen Kriege in den letzten Jahren immer enger miteinander verzahnt wurden. Der SPD geht es mit ihrer EU-Militarisierung allein darum, friedenspolitischen Dummenfang zu betreiben, während man real mit der Union das größte Aufrüstungsprogramm seit 1945 betreibt.

Sowohl Union und SPD müssen »allein aufgrund unserer Vergangenheit« (Schulz/Oppermann) auf die multilaterale Einbettung des Aufrüstungsprogramms setzen. Die Transatlantiker in den Regierungsparteien orientieren dabei eher auf die NATO, die Euronationalisten vorrangig auf die EU. Beide wollen darüber hinaus in NATO und EU eine zusätzliche heimliche Aufrüstung, deren Kosten dann gar nicht mehr als deutsche Militärausgaben deklariert werden müssten. Es geht um die Schaffung klandestiner Militärhaushalte.

Diese enormen deutschen Rüstungsanstrengungen und -planungen zielen auf die Vorbereitung eines Krieges gegen Russland im Rahmen von NATO und EU und auf mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr zur verstärkten globalen Machtprojektion, auch um den massiven deutschen Kapitalexport besser absichern zu können. Der Streit um des Kaisers Bart in der Koalition soll mit Scheinalternativen dabei lediglich das Publikum in Wahlkampfzeiten bei Laune halten und vorgaukeln, es ginge hier um friedenspolitische Alternativen. Als idealer Koalitionspartner für die Aufrüstungsparteien Union und SPD kommen vor allem die Grünen in Frage, deren Spitzenduo sich immer mehr an die vorderste Front eines neuen Russland-Feldzugs stellt.

Wer dagegen wirklich auf Frieden setzt, der muss klare Kante gegen die Aufrüstungsparteien und ihre ideologischen Stichwortgeber zeigen. Dies ist auch ein Kampf um soziale Sicherheit in diesem Land. Denn wer das Aufrüstungsprogramm bezahlen wird, steht bereits jetzt schon fest.

Sevim Dagdelen ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Linksfraktion

Quelle: junge welt