Stützpunkte schließen – Lehren aus Snowdens Enthüllungen
Moskau gewährt Edward Snowden vorläufig Asyl. Allein in Rußland ist der US-amerikanische Whistleblower sicher. In dem Tauziehen um ihn haben sich Washington wie auch seine Helfershelfer in Europa regelrecht die Maske vom Gesicht gerissen. Überdeutlich wurde, daß Rechtsstaat und Demokratie im Westen nur scheinbar Priorität genießen. Einmal mehr wurde internationales Recht mit Füßen getreten. Allein aufgrund des Gerüchts, daß sich Edward Snowden an Bord befinden könnte, haben Italien, Frankreich, Spanien und Portugal etwa Boliviens Präsidenten Evo Morales den Überflug verweigert und seine Maschine in Österreich zwangslanden lassen.
Die Bundesregierung steht nicht nur bei der NSA-Überwachungspraxis für die Führung imperialistischer Kriege unverbrüchlich an der Seite der USA. Auch mit der flinken Ablehnung von Snowdens Asylgesuch sprang Berlin Washington ungeachtet der Menschenrechtsverletzungen geradezu eilfertig bei. Wer glaubte, daß es nicht nur Die Linke, sondern auch SPD und Grüne seien, die der Überwachungspolitik kritisch gegenüberstünden, muß sich nach der Intervention des früheren Innenministers Otto Schily eines Besseren belehrt sehen. Unangenehmerweise für die rot-grünen Wahlkämpfer weist der SPD-Politiker schlicht darauf hin, daß auch die Bundesregierung unter Gerhard Schröder und Joseph Fischer an der Seite der USA bereit war, gegen Völkerrecht und Menschenrechte vorzugehen, wenn es machtpolitisch opportun schien. Erinnert sei hier an Khaled El-Masri und Murat Kurnaz. Auch am Irak-Krieg 2003 beteiligte sich Rot-Grün ja bis auf die direkte Entsendung von Soldaten. Ansonsten wurde seitens Berlins alles getan, damit die USA und ihre »Koalition der Willigen« diese völkerrechtswidrige Aggression durchführen konnten.
Man sollte im Grunde also froh sein, daß die Bundesregierung Snowden in Deutschland kein Asyl gewährt. Entscheidende Frage ist doch, ob er hier wirklich sicher wäre – selbst in einem Zeugenschutzprogramm, wie von SPD-Chef Sigmar Gabriel vorgeschlagen. Deutsche Hilfe organisiert vom Parteienkartell für Krieg und Kapitalismus? Die Bereitstellung von Infrastruktur für die Führung völkerrechtswidriger Kriege, für CIA-Folterflüge und die NSA-Überwachung durch CDU, CSU, FDP und SPD bis hin zu Bündnis 90/Die Grünen sollte einen diesbezüglich skeptisch machen.
Wer wirklich etwas tun will für ein Ende der politischen Verfolgung von Menschen wie Edward Snowden, Bradley Manning, Julian Assange oder auch Hackeraktivist Jeremy Hammond, der muß sich für die Schließung der US-Stützpunkte einsetzen. Erst wenn diese Infrastruktur für Menschenrechtsverletzungen in Deutschland verweigert wird, erst dann kann jemandem wie Edward Snowden Sicherheit vor politischer Verfolgung hierzulande garantiert werden. Solange gilt: Allein Rußland hilft dem US-Whistleblower.
Sevim Dagdelen ist Sprecherin für internationale Beziehungen in der Bundestagsfraktion Die Linke
http://www.jungewelt.de/2013/08-03/029.php?sstr=dagdelen