Suspendierte bzw. entlassene Angestellte der türkischen Religionsbehörde seit dem Putschversuch in der Türkei im Juli 2016

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) darüber, wie viele Angestellte der staatlichen Behörde für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) wegen angeblicher Verbindungen zum gescheiterten Putschversuch seit dem 15. Juli 2016 bis heute in der Türkei suspendiert bzw. entlassen wurden (www.sueddeutsche.de/politik/nach-putschversuch-festnahmen-in-der-tuerkei-zehntausende-entlassungen-inhaftierte-ohne-rechte-1.3085149), und inwieweit hat die Bundesregierung Kenntnisse (auch nachrichtendienstliche) darüber, wie viele DITIB-Imame nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei im Sommer 2016 vor Ablauf des Visums, das ihnen vom Auswärtigen Amt entsprechend der Beschäftigungsverordnung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt wird (Plenarprotokoll 18/211, Seite 21155), in die Türkei zurückgekehrt sind?

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Frau Kollegin Dağdelen, ich antworte wie folgt: Auf der Grundlage von Notstandsdekreten wurden seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 mit Stand vom 2. Februar 2017 nach offiziellen türkischen Angaben insgesamt 1 924 Mitarbeiter der Diyanet entlassen, 3 636 wurden demnach suspendiert. Zu Entlassungen oder Suspendierungen über die erwähnten Notstandsdekrete hinaus liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Der Bundesregierung liegen keine Informationen zur Gesamtzahl der DITIB-Imame vor, die vor Ablauf ihres Visums oder im Inland erteilter Aufenthaltstitel in die Türkei zurückgekehrt sind. Aufgrund der grundgesetzlich verankerten Trennung von Staat und Religion haben religiöse Vereinigungen das Recht, ihre inneren Angelegenheiten eigenständig zu regeln.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind aber keine Religionsgemeinschaften!)

– Ich verstehe schon, was Sie sagen. – Zu ihren inneren Angelegenheiten gehört auch die Entscheidung über die Anstellung bzw. Entlassung von religiösem Personal.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie der Auffassung, dass es Religionsgemeinschaften sind?)

Vizepräsidentin Petra Pau:

Zunächst hat die Kollegin Dağdelen das Nachfragerecht, Kollege Beck. Sie stehen bei mir aber schon auf der Rednerliste. – Bitte, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Volker, du kannst gleich an meine Frage anschließen. – Vielen herzlichen Dank, Frau Böhmer. Sie meinten, dass aufgrund der grundgesetzlichen Trennung von Staat und Religion die Religionsgemeinschaften über ihre inneren Angelegenheiten selbst entscheiden können. Meine Frage an die Bundesregierung: Stuft die Bundesregierung die Türkisch-Islamische Union, die DITIB, als eine unabhängige Religionsgemeinschaft ein?

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Frau Kollegin, ich ahnte, dass Sie das fragen würden. Ich hätte das nämlich an Ihrer Stelle auch gefragt, und ich schätze, der Kollege Beck will das auch fragen. Völlig klar: Nein. Außerdem ist es Sache der Länder.

Vizepräsidentin Petra Pau:

Ihre zweite Nachfrage.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Gut. Dann haben wir ja geklärt, dass die DITIB keine Religionsgemeinschaft ist.

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Hatte ich auch nicht gesagt.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Gut. Dann sehen wir das auch so. Aber trotzdem ist es ja so, dass die Beschäftigungserlaubnis entsprechend der Beschäftigungsverordnung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erteilt wird. Es ist aber keine Religionsgemeinschaft. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert die vom AA genehmigte privilegierte Beschäftigungsmöglichkeit für diese Anstalt, die ja von Ankara aus gesteuert wird, gelenkt wird, finanziert wird?

Noch eine Nebenfrage. Angesichts der heutigen Erkenntnisse und Nachrichtenlage, dass es in Deutschland Razzien gegen Imame der DITIB auf Grundlage eines Verfahrens der Generalbundesanwaltschaft gibt, würde ich gern wissen, inwiefern das zutrifft, was in den türkischen Medien steht, nämlich dass während des letzten Besuchs von Merkel in Ankara beim türkischen Ministerpräsidenten und beim türkischen Staatspräsidenten vereinbart worden sei, dass die Imame, die hier in Deutschland andere bespitzelt haben, von der zentralen Stelle in Ankara, von der Diyanet, zurückbeordert werden und deshalb jetzt einige der von der GBA Beschuldigten nicht mehr aufzufinden sind und das Land schon längst verlassen haben.

Dr. Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Eine solche Vereinbarung ist mir nicht bekannt. Ich kann sie mir auch nicht vorstellen. Im ersten Teil haben Sie nach der Arbeitsaufnahme und den entsprechenden Regelungen gefragt. Das würde ich Ihnen gern nachreichen.

 

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