Über den Hintergrund eines Besuchs in der Westsahara
Die Ausweisung einer deutschen Abgeordneten durch Marokko hat ein Nachspiel
Der Vorsitzende der oppositionellen Partei Die Linke, Klaus Ernst, hat Außenminister Guido Westerwelle aufgefordert, während seines Rabat-Besuchs am heutigen Montagnachmittag bei der marokkanischen Regierung dagegen Protest einzulegen, dass die dortigen Sicherheitsbehörden eine Abgeordnete der Partei am Besuch von El-Ajun, der größten Stadt der Westsahara, gehindert haben.
In einem Bericht, der Al-Jazeera Net in Kopie vorliegt, drängt er Westerwelle, im Namen der Mitglieder des deutschen Parlaments (Bundestag) beim marokkanischen Außenminister Taieb Fassi Fihri Kritik daran zu üben, dass marokkanische Sicherheitsbehörden die linke Abgeordnete Sevim Dagdelen am Flughafen von Casablanca festnahmen und verhörten und ihr die Durchführung einer parlamentarischen Untersuchung der Fakten nach ihrem Eintreffen in El-Ajun nicht gestatteten.
Der Vorsitzende der Linkspartei rief die Regierung Angela Merkels dazu auf, „nicht die Augen vor den Menschenrechtsverletzungen in der von Marokko besetzten Westsahara aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül zu verschließen".
Festnahme und Verhör
Von ihrer Seite erklärte Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Parlaments für die Partei Die Linke, dass sie am vergangen Samstag bei ihrer Ankunft in Casablanca, aus Paris kommend, durch die Festnahme durch marokkanische Sicherheitsbehörden überrascht wurde, die sie nach dem Grund ihrer Absicht, die Westsahara zu besuchen, über die Partei, der sie angehört, sowie über ihre persönlichen und politischen Überzeugungen und Ansichten befragten.
Gegenüber Al-Jazeera Net erklärte Dagdelen, dass sie ihre Vernehmer, von denen sie glaubt, dass sie dem marokkanischen Geheimdienst angehören, informiert habe, El-Ajun im Rahmen einer zweitägigen parlamentarischen Untersuchungsreise besuchen zu wollen, um den wahren Sachverhalt bezüglich der blutigen Vorfälle, die sich in den Lagern der Sahraouis in El-Ajun in der letzten Woche ereignet haben, zu erfahren.
Sie gab an, dass die mit der Vernehmung Betrauten ihr gestatteten, mit dem nächsten Flug in die Westsahara zu fliegen, nachdem diese sie vier Mal im Transitraum, den sie in Casablanca nicht verlassen durfte, verhört hatten. Sie erwähnte, dass sie bei ihrem Eintreffen in El-Ajun erneut festgehalten und von 15 marokkanischen Grenzpolizei- und Sicherheitsbeamten verhört worden sei.
Dagdelen, eine deutsche Abgeordnete türkischen Ursprungs, erklärte weiter, dass die Beamten, die sie verhörten, ihr die Einreise nach El-Ajun verweigerten mit dem Verweis darauf, dass sie in ihrem Reisepass keinen Einreisestempel vom Flughafen Casablanca hätte. Sie sagte auch, dass diese einem französischen Passagier neben ihr trotz des Fehlens des Stempels in seinem Pass, wie bei ihr, die Einreise genehmigt hätten.
Beleidigung und Ausweisung
Die deutsche Parlamentsangeordnete machte darauf aufmerksam, dass die marokkanischen Polizeiangehörigen in El-Ajun ihr gegenüber „hässliche Beschimpfungen" geäußert hätten, bevor man sie dann mit Gewalt in das Flugzeug führte, das sie wieder zurück nach Casablanca brachte und von dort aus nach Berlin.
Sie sagte: „Wenn die marokkanischen Sicherheitsbehörden eine deutsche Abgeordnete, die gemäß ihrem diplomatischen Pass Immunität genießt, in einer solch unwürdigen Art und Weise behandelt, so sollten wir uns einmal vorstellen, wie sie mit den Sahraouis, die ihr Recht auf Unabhängigkeit einfordern, umgehen".
Was ihr passiert sei, meint Dagdelen, zeige „das Bestreben der marokkanischen Regierung mit allen Mitteln zu verhindern, dass die internationale Öffentlichkeit etwas über die Verfolgung und die Gräueltaten an den Bewohnern der Westsahara erfährt". Sie verwies darauf, dass die Linkspartei, der sie angehört, das, was ihr in Marokko widerfahren sei, bei der nächsten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag zur Sprache bringen wird.
Forderung nach Strafe
Die linke deutsche Abgeordnete erklärte, dass „die marokkanischen Behörden in der Westsahara, die sie nach dem Abzug der spanischen Kolonisationsmacht seit 1975 besetzt hält, unaufhörlich Menschenrechte verletzen und den Bewohnern dieser Region die Durchführung einer Abstimmung über Selbstbestimmung untersagen".
Dagdelen rief die Regierung von Kanzlerin Merkel dazu auf, „die von den marokkanischen Sicherheitsbehörden an den Sahraouis in den Lagern von El-Ajun in der vergangenen Woche verübten Menschenrechtsverletzungen zu kritisieren und gegen die Ablehnung Rabats, eine internationale, neutrale Kommission für die Aufklärung dieser Vorfälle zu bilden, zu protestieren".
Sie forderte ebenfalls europäische Strafmaßnahmen gegen Marokko, die eine Kürzung der Vorteile der Privilegierten Partnerschaft, die diesem Land gewährt wird, umfassen, sowie eine Nicht-Verlängerung des mit Marokko unterzeichneten Fischereiabkommens.