Ungeliebter deutscher Pass
VON VERA GASEROW
Die Zahl der Einbürgerungen in Deutschland ist auf Rekordtief gesunken. Im vergangenen Jahr erhielten nur 94 500 Ausländer einen deutschen Pass – gut 18 000 weniger als im Vorjahr und halb so viele wie kurz nach Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsreform. Die Zahl der "Neu-Deutschen" fiel damit auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Das geht aus der am Freitag veröffentlichten Bilanz des Statistischen Bundesamt hervor.
In den Keller gesackt sind nicht nur die absoluten Zahlen. Auch die Einbürgerungsquoten sind auf den niedrigsten Stand seit 1989 gefallen. Nur 2,2 Prozent aller Ausländer, die aufgrund ihres langjährigen Aufenthalts in Deutschland die formalen Bedingungen für einen deutschen Pass erfüllten, ließen sich einbürgern.
Besonders niedrig war die Einbürgerungsrate mit 0,8 Prozent bei den 2,2 Millionen hier lebenden EU-Bürgern. Für sie bringt der deutsche Pass allerdings kaum rechtliche Vorteile. Aber auch bei der größten Migrantengruppe, den Türken, lag die Quote mit 1,7 Prozent unter dem Durchschnitt. Die vom deutschem Recht geforderte Aufgabe des alten Passes und die verschärften Anforderungen an Deutschkenntnisse erweisen sich hier als Barrieren. Am höchsten lag die höchste "Neu-Deutschen"-Quote bei ehemals irakischen Staatsbürgern.
Noch eine andere Statistik deutet auf insgesamt hohe Hemmschwellen gegenüber dem deutschen Pass hin: Obwohl sich Ausländer spätestens nach achtjährigem legalen Aufenthalt in der Bundesrepublik einbürgern lassen können, gingen die meisten diesen Schritt erst, nachdem sie schon 16 Jahre hier lebten. Auffällig auch: die Einbürgerungszahlen sind 2008 zwar in nahezu allen Bundesländern weiter gesunken. Es gibt aber politisch gefärbte regionale Unterschiede. In Unionsländern wie Bayern, Baden-Württemberg oder Sachsen waren die Einbürgerungs-Quoten noch niedriger als in den SPD-geführten. In Bayern war sie mit 0,84 Prozent halb so hoch wie im vormals rot-grünen Schleswig-Holstein oder im rot-roten Berlin.
Kritik an Integrationspolitik
Der Negativrekord bei der Einbürgerung hat daher auch die politische Kontroverse um die Integrationspolitik neu entfacht. Der Tiefstand sei das "zweifelhafte Verdienst der Bundesregierung und ihrer Integrationsbeauftragten Maria Böhmer", kritisierte die Abgeordnete der Linken Sevim Dagdelen. Durch ihre Verschärfung des Einbürgerungsrechts habe die Bundesregierung die Bilanz selbst herbeigeführt.
Integrationsbeauftragte Böhmer (CDU) wertete die Zahlen hingegen als "Ansporn", die Vorteile einer Einbürgerung stärker deutlich zu machen. Vor einem Monat hatte Kanzlerin Angela Merkel mit einer Einbürgerungszeremonie im Kanzleramt demonstrativ für die Annahme des deutschen Passes geworben.
"Billige Symbolpolitik" und Integrationsgipfel könnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Einbürgerungsbedingungen gerade für junge Migranten erschwert worden seien, kritisierte Grünen-Chef Cem Özdemir.
Die neue Einbürgerungsbilanz könnte auch die Debatte die Forderung nach Abschaffung des umstrittene Optionsmodells beleben. Danach müssen sich eingebürgerte Migrantenjugendliche mit 18 Jahren zwischen der deutschen und der Nationalität ihres herkunftslandes entscheiden.