Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik an die in Deutschland stationierten Streitkräfte

Inwieweit gewährt die Bundesrepublik Deutschland indirekte Unterstützungsleistungen für die Entsendestaaten der Vertragspartner des Vertrages über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Oktober 1954 (Aufenthaltsvertrag) wie beispielsweise das Anmieten von Wohnraum, das Entbinden von der Verpflichtung zur Zahlung von Zöllen und Einkommenssteuer sowie andere persönliche Vorteile wie z. B. die Zahlung von Kindergeld (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 2 – 3000 – 212/15, S. 4), und in welcher Höhe standen nach Kenntnis der Bundesregierung den direkten Unterstützungsleistungen der Bundesrepublik (Verteidigungsfolgekosten, Baumaßnahmenkosten etc.) an die in Deutschland stationierten Streitkräfte indirekten Unterstützungsleistungen wie für die Überlassung von insgesamt 15.037 Wohnungen und 807 Liegenschaften mit rund 59.700 ha (Bundestagsdrucksache 19/28921, Fragen 7 ff.) gegenüber?

Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Bettina Hagedorn vom 20. Mai 2021

Einkommensteuer

Die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Einkünfte und Bezüge von Soldaten und dem zivilen Gefolge von NATO-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland richtet sich nach Artikel X des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen vom 19. Juni 1951 (NATO-Truppenstatut). Hängt danach die Verpflichtung zur Leistung einer Steuer im Aufnahmestaat – wie in der Bundesrepublik Deutschland – vom Aufenthalt oder Wohnsitz ab, so gelten die Zeitabschnitte, in denen sich ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nur in dieser Eigenschaft in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, im Sinne dieser Steuerpflicht nicht als Zeiten des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland. Die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges sind insoweit von jeder Steuer auf Bezüge und Einkünfte in der Bundesrepublik Deutschland als Aufnahmestaat befreit, die ihnen in ihrer Eigenschaft als derartige Mitglieder von dem Entsendestaat gezahlt werden. Diese Regelung lässt die Einkommensteuerpflicht im Entsendestaat unberührt. Sinn und Zweck der vorgenannten Regelung ist es, zu verhindern, dass Mitglieder der Truppe oder des zivilen Gefolges aufgrund eines dienstlich begründeten Aufenthalts und ihrer Zugehörigkeit zum Truppenverband der NATO im Aufnahmestaat unbeschränkt steuerpflichtig werden und dadurch gegenüber ihren im Entsendestaat verbliebenen Truppenmitgliedern und des zivilen Gefolges steuerlich schlechter gestellt werden. Ein persönlicher Vorteil ist mit dieser Regelung nicht verbunden.

Zölle

Nach Artikel XI des NATO-Truppenstatuts, welches mit der konkreten Ausgestaltung des Aufenthaltsvertrages befasst ist, wird Zollfreiheit für Ausrüstung, Verpflegung, Versorgungsgüter und sonstige Waren für in Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte gewährt. Da keine Rechtsgrundlage für die Erfassung des Warenwertes der durch die ausländischen Streitkräfte nach Deutschland eingeführten Waren besteht, liegen auch keine Erkenntnisse über die Höhe der damit verbundenen Zollbeträge vor.

Kindergeld

Kindergeld kann nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) gewährt werden, wobei Ansprüche nach dem EStG vorrangig sind. Anspruch auf Kindergeld hat gemäß § 62 Absatz 1 Nummer 1 EStG grundsätzlich, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Begriffe des Wohnsitzes (§ 8 Abgabenordnung – AO) bzw. des gewöhnlichen Aufenthaltes (§ 9 AO) haben insbesondere Bedeutung für die persönliche Steuerpflicht natürlicher Personen oder für familienbezogene Entlastungen. Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ob im Einzelfall eine solche Benutzung vorliegt, ist unter Würdigung der Gesamtumstände nach den Verhältnissen des jeweiligen Anspruchszeitraums zu beurteilen. Hält sich beispielsweise ein Mitglied einer Truppe oder des zivilen Gefolges des Entsendungsstaates „nur in dieser Eigenschaft“ i. S. d. Artikel X des NATO-Truppenstatuts bzw. dessen Angehörige nach Artikel 68 Absatz 4 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut im Inland auf, wird das Fehlen des inländischen steuerrechtlichen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts fingiert, wenn anhand der Lebensumstände aus Sicht des jeweiligen Anspruchszeitraums bzw. Kalenderjahres festgestellt werden kann, dass die betreffende Person in dem maßgeblichen Zeitraum fest entschlossen war, nach Beendigung des Dienstes in den Ausgangs- oder in ihren Heimatstaat zurückzukehren. Im Umkehrschluss kann das Vorliegen eines inländischen steuerlichen Wohnsitzes angenommen werden, wenn anhand der Lebensumstände während des jeweiligen Anspruchszeitraums bzw. Kalenderjahres festgestellt werden kann, dass die betreffende Person entschlossen war, nach Beendigung des Dienstes nicht zeitnah in den Ausgangs- oder Heimatstaat zurückzukehren bzw. wenn die betreffende Person bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet hat.

Ein Anspruch nach § 1 Absatz 1 Nummer 4 BKGG kommt in Betracht für den nichtdeutschen Ehegatten eines Mitglieds der Truppe oder des zivilen Gefolges, der die Staatsangehörigkeit eines EU-/EWR-Mitgliedstaates besitzt und in Deutschland seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist der Ehegatte oder Lebenspartner nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig und entweder Angehöriger eines Drittstaates oder hat er hier keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründet, kann er Kindergeld nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 BKGG erhalten, wenn er in einem Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit gemäß § 24 nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) steht – also versicherungspflichtig beschäftigt ist – oder nach § 28 Nummer 1 SGB III nur wegen Vollendung des 65. Lebensjahres versicherungsfrei ist. Der deutsche Ehegatte eines Mitglieds der NATO-Truppe oder des zivilen Gefolges ist dagegen anspruchsberechtigt nach dem EStG, auch wenn kein  Versicherungspflichtverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit besteht.

Die Gewährung des Kindergeldes ist jedoch gemäß § 65 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 EStG ausgeschlossen, wenn dem Kindergeld vergleichbare Leistungen von zwischen- oder überstaatlicher Einrichtungen zu zahlen wären. Solche Leistungen sind z. B. die von den Koordinierten Organisationen (NATO, OECD, Europarat, Europäische Weltraumorganisation ESA und Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage ECMWF) geleisteten Zahlungen für Kinder (child allowance).

Vor diesem Hintergrund können Angaben zu Kindergeldzahlungen an NATO-Angehörige dem Statistikangebot auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit entnommen werden.

2019: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/201912/famka/famka-mz/famka-mz-d-0-201912-xlsx.xlsx?_blob=publicationFile&v=1

2020: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202012/famka/famka-mz/famka-mz-dl-0-202012-xlsx.xlsx?_blob=publicationFile&v=2

Jeweils in Zeile 60 des Datenblattes „BUND“ sind die Zahlungen an NATO-Angehörige ausgewiesen.

Waffenkäufe

Die Bundesregierung hat keine Waffenkäufe zur indirekten Unterstützung von Entsendestaaten ausländischer Streitkräfte in den Jahren 2019 und 2020 getätigt. Überlassung von Wohnraum und Liegenschaften Indirekte Unterstützungsleistungen kommen nur für Liegenschaften im Eigentum des Bundes bzw. der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Betracht. Diese nutzen die Vertragspartner des Aufenthaltsvertrags unentgeltlich. Da die BImA für diese Nutzung keine Gegenleistung erhält, entstehen insoweit im Sinne der Frage indirekte Kosten. Aktuell befinden sich in der unentgeltlichen Nutzung der Streitkräfte rund 12.000 Wohneinheiten sowie eine Fläche von insgesamt rund 56.500 ha (ganz überwiegend Übungsplätze, Flugplätze und Depots im Außenbereich mit geringem Bodenwert).

Diese Grundstücke sind aufgrund der völkerrechtlichen ausschließlichen Überlassung an die ausländischen Streitkräfte wirtschaftlich dem Eigentümer Bund bzw. BImA entzogen. Wegen dieser Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen erfolgt hier auch keine Bewertung und Bilanzierung seitens der BImA. Daher liegen aktuelle Angaben zum Verkehrsoder Mietwert der von den ausländischen Streitkräften unentgeltlich genutzten bundeseigenen Liegenschaftenschaften – als indirekte Kosten – nicht vor.

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