Verstoß einer Erstürmung der ecuadorianischen Botschaft in London durch britische Behörden gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen sowie Gefährdung des Non-Refoulement-Prinzips

Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die Drohung der britischen Behörden, die ecuadorianische Botschaft in London zu stürmen, um Julian Assange, den Gründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks, zu verhaften, der in der Botschaft Zuflucht gefunden hat und dem vom ecuadorianischen Präsidenten politisches Asyl gewährt worden ist, nicht in Einklang mit Bestimmungen über die besondere Rechtsstellung der Missionsgebäude aus dem Wiener Übereinkommen über Diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl. 1964 II S. 957) gebracht werden kann, und sieht sie darin eine Gefährdung des völkerrechtlich als Gewohnheitsrecht anerkannten Non-Refoulement-Prinzips, welches Eingang in das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 gefunden hat (BGBl. 1953 II S. 559)?

Antwort des Staatsministers Michael Link vom 27. August 2012

Nach dem Wiener Übereinkommen vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (WÜD) muss die Rechtsordnung des Empfangsstaates befolgt werden (Artikel 41 WÜD). Die Räumlichkeiten einer diplomatischen Vertretung im Hoheitsgebiet des Empfangsstaates dürfen daher nicht in einer Weise benutzt werden, die unvereinbar ist mit den Aufgaben der Mission, wie sie im WÜD, in anderen Regeln des allgemeinen Völkerrechts oder in besonderen bilateralen Übereinkünften niedergelegt sind (Artikel 41 Absatz 3 WÜD). Deshalb darf eine diplomatische Vertretung Personen einem rechtsstaatlichen Strafverfahren nicht entziehen. Julian Assange hat in einem rechtsstaatlich unzweifelhaften Verfahren vor der britischen Justiz seine Verteidigungsrechte umfassend eingebracht. Völkerrechtlich ist Ecuador zur Überstellung von Julian Assange an die britischen Behörden verpflichtet.

Bei der Durchsetzung dieses Anspruchs unterliegen Botschaften allerdings dem besonderen Schutz des WÜD. Gemäß Artikel 22 WÜD sind die Räumlichkeiten einer Mission unverletzlich, das heißt Räumlichkeiten und Gelände einer Botschaft genießen Immunität vor jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung. Das bedeutet auch, dass Vertreter des Empfangsstaates Gelände und Räumlichkeiten einer Botschaft nur mit Zustimmung des Missionschefs betreten dürfen. Mit Zustimmung des Empfangsstaates dauert die Unverletzlichkeit der Mission solange an, wie die Mission zu hoheitlichen Zwecken genutzt wird.

Nach Überzeugung der Bundesregierung ist die britische Regierung, wie schon bislang, weiterhin an einer Verhandlungslösung mit Ecuador interessiert. Die Bundesregierung hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die britische Regierung sich streng im Rahmen völkerrechtlicher Normen bewegen wird.