Vereinbarkeit der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit der EU-Familienzusammenführungsrichtlinie vor dem Hintergrund der Stellungnahme der EU-Kommission an den Europäischen Gerichtshof
Wie ist die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 17 und 18 auf Bundestagsdrucksache 17/5732, „[k]ein Urteil des Gerichtshofs" (Europäischer Gerichtshof – EuGH) spreche sich bezüglich des Verschlechterungsverbots im EWG-Türkei-Assoziationsrecht „für einen Einbezug von nationalen Vorschriften zum Familiennachzug aus, die den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht beschränken" zu begründen, angesichts der in Frage 17 zitierten Rechtsprechung des EuGH (z. B. im Sahin-Urteil, Rn. 50 ff.), wonach Familienangehörige auch bei der erstmaligen Aufnahme in das Verschlechterungsverbot einbezogen sind und dies nicht von einer Beschäftigung als Arbeitnehmer abhängt – ein entgegengesetztes Vorbringen der Bundesregierung hat der EuGH bereits im Jahr 2003 in seinem Abatay-Urteil zurückgewiesen (Rn. 75 ff.) –, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus, dass auch das Oberverwaltungsgericht Niedersachsen (11 ME 59/11, Beschluss vom 15. März 2011, in: Informationsbrief Ausländerrecht 6/2011, S. 228) Zweifel daran hat, ob die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug mit dem Verschlechterungsverbot vereinbar sind (bitte begründen)?
Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Ole Schröder vom 21. Juni 2011
Es wird auf die Vorbemerkung zu der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/5539 verwiesen. Wie dort bereits dargelegt wurde, fallen Familienangehörige türkischer Arbeitnehmer zwar unter den persönlichen Schutzbereich von Artikel 13 des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) Nr. 1/80. Die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs von Artikel 13 ARB Nr. 1/80 setzt hingegen voraus, dass eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vorliegt (so auch die in der Frage zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, vgl. Rn. 63 des Sahin-Urteils sowie Rn. 74 ff. des Abatay-Urteils). Die Begrenzung des sachlichen Schutzbereichs auf Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit hat der EuGH nicht aufgehoben. Folglich sind nationale Vorschriften zum Familiennachzug, die keine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beinhalten, von dem Verschlechterungsverbot des Artikels 13 ARB Nr. 1/80 – wie in der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 17 und 18 auf Bundestagsdrucksache 17/5732 ausgeführt – nicht erfasst. Die Bundesregierung sieht sich durch die in der Frage zitierte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen zu keinen weiteren Schlussfolgerungen veranlasst. Aus ihrer Sicht ist insofern weiterhin das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2010 (1 C 8/09) maßgeblich, das die Vereinbarkeit des Spracherfordernisses mit den assoziationsrechtlichen Stillhalteklauseln ausdrücklich bejaht hat. Das vom Oberverwaltungsgericht Niedersachsen in Bezug genommene Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Dezember 2010 führt insoweit zu keiner neuen Bewertung, da sich das Urteil lediglich zu dem zeitlichen Bezugspunkt der Stillhalteverpflichtung aus Artikel 13 ARB Nr. 1/80 äußert, jedoch keine neuen Festlegungen in Bezug auf die inhaltliche Tragweite der Stillhalteverpflichtung trifft.