Verfassungswidriges Ermächtigungsgesetz stoppen!

Persönliche Erklärung von Sevim Dagdelen, Fraktion DIE LINKE, nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zu dem von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion:

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich habe heute gegen das Gesetz zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsuniongestimmt gestimmt, weil dieser Vertrag, sprich der sog. Fiskalpakt in Wirklichkeit ein Angriffspakt auf demokratische Grundsätze und die soziale Zukunft in Europa darstellt. Ein Angriffspakt von Zockerbuden und ihren willigen politischen Vollstreckern für mehr Lohndumping,Sozialabbau und Privatisierung. Ein Angriffspakt zur Finanzierung der Bankenrettung. In den Augen des Kapitals sind die Menschen in Griechenland aber auch die Menschen in Spanien und anderen europäischen Ländern lediglich ein „Kollateralschaden" ihres Wirtschafts-Krieges der die Zukunft der sozialen Sicherheit in Europa bedroht. Mit diesem Angriffspakt drohen europaweit Arbeitslosigkeit und Armut. Er hat auch einen wesentlichen Anteil daran grundlegende Mitentscheidungsrechte der Parlamente und der Bevölkerung in Europa abzuschaffen. Die Ermächtigung der Kommission Grundsätze für den automatischen Korrekturmechanismus und die unabhängige Überwachungsinstanz zu erlassen setzt sich über die Notwendigkeit einer parlamentarischen Zustimmung auf europäischer Ebene hinweg. Der sog. Fiskalpakt hebelt zudem das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestages aus. Der strikte Gesetzesvorbehalt des GG (u.a. Art. 80 GG) als Ausprägung des Demokratieprinzips ist mit dem Fiskalpakt unvereinbar.

Die Regierungskoalition, aber auch die sog. Opposition aus SPD und Grünen, haben es geschafft diese Krise des Kapitalismus zu einer „Schuldenkrise" umzuetikettieren.Einer „Schuldenkrise" die erst durch die Bankenrettung der vergangenen Monate und Jahre geschaffen wurde. Auch wenn die SPD und Grünen hier lediglich an einem Kuhhandel mit der Regierungskoalition interessiert waren und nie ernsthaft den sog. Fiskalpakt in Frage stellten, haben sie durch ihren Poker dem Vertrauen in demokratische Grundsätze großen Schaden zugefügt.

Mit diesem Pakt beteiligen Sie sich an einem Generalangriff auf die souveräne Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten. Sie gießen damit die Macht des Kapitals zur Einmischung in die souveräne demokratische Politik von Mitgliedstaaten in eine Rechtsform mit Ewigkeitsgarantie hinein und machen diese gerichtlich unüberprüfbar. Dies widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts welches faktisch entmachtet wurde. Dem Europäischen Gerichtshof wird das Recht zugesprochen, die Übereinstimmung zwischen Fiskalpakt und deutschem Recht zu überwachen. Das Gerichtswesen und die Nationalverfassungen der Mitgliedstaaten werden ausgehebelt.

Sie alle wissen, dass die sog. „Schuldenkrise" erst dadurch entstanden ist, dass sie die Banken und Zockerbuden für ihre Spekulationsverluste mit Milliarden von Steuergeldern überschwemmt worden sind. Dafür werden vor allem Länder und Kommunen bluten müssen. Sie werden, um die Fehler der Spekulanten zu beheben zu drastischen Einsparungen und Kürzungen gezwungen. Nicht die Millionäre, Manager und Hedgefonds werden für ihre mißglückten Finanzspekulationen zur Rechenschaft gezogen, sondern im Sinne dieses Angriffspaktes noch belohnt. Neue Kredite, um Schulen zu renovieren und Kitas zu bauen werden damit genauso unmöglich gemacht wie die Finanzierung einer Umorientierung auf eine ökologische und soziale Kooperation. Nur die Rückbesinnung auf ein solidarisches Europa kann diese neoliberale Volte mit der sich das Kapital auf Kosten der Menschen in Europa auf eine neue höhere Stufe der Verwertung heben will noch gestoppt werden.

Der sog. Fiskalpakt ist ein Angriffspakt des Kapitals gegen die Arbeit. Er steuert die Euro-Zone direkt in eine neue Rezession hinein und verschärft die sog. „Schuldenkrise" der Mitgliedstaaten. Er ist auch völlig ungeeignet die Probleme dersystemischen Finanzkrise des Kapitalismus zu lösen. Wenn Sie die von den Finanzspekulanten erzeugte „Schuldenkrise" in den Griff bekommen wollen, dann nehmen sie jene zur Haftung, die diese verheerende Wirtschaftspolitik angerichtethaben aber hören Sie auf mit der sozialen Zukunft Europas zu spielen!

Sevim Dagdelen