Verlängerung der Ehebestandszeit bei Türken kaum anwendbar

„Die Bundesregierung muss einräumen, dass die geplante Verlängerung der Mindestbestandszeit einer Ehe für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts von nachgezogenen Ehegatten bei türkischen Staatsangehörigen, also der mit Abstand größten Betroffenengruppe, aus europarechtlichen Gründen nur bedingt anwendbar sein wird", erklärt Sevim Dagdelen anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/4623). Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Die Bundesregierung sucht mal wieder krampfhaft nach Auswegen, um Europarecht nicht umsetzen zu müssen. Dabei hat der Europäische Gerichtshof mit dem „Toprak"-Urteil vom 9.12.2010 klar entschieden, dass die geplante Verlängerung der Mindestehebestandszeit von zwei auf drei Jahre auf die größte Gruppe der Migrantinnen und Migranten aus europarechtlichen Gründen nur sehr bedingt anwendbar ist. Denn das Assoziationsrecht sieht ein Verschlechterungsverbot für türkische Arbeitnehmer/innen und ihre Familienangehörigen vor: Einmal gewährte Erleichterungen im Aufenthalts- und Arbeitsrecht dürfen nicht wieder zurückgenommen werden.

Die Bundesregierung bestätigt dies auf meine Anfrage, will von der geplanten Regelung aber nur solche türkischen Eheleute ausnehmen, die ‚zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind‘. Dies dürfte eine allzu enge Auslegung von Europarecht sein. Doch auch die Bundesregierung muss einräumen, dass bereits eine sehr geringfügige Tätigkeit, so sie nicht ‚völlig untergeordnet und unwesentlich‘ ist (z.B. ein 400-Euro-Job) ausreicht, um die Gesetzesverschärfung unwirksam werden zu lassen. Dies führt zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der Ehebestandszeit bei türkischen Staatsangehörigen gerade die Opfer einer Zwangsehe oder gewalttätigen Beziehung treffen wird, weil diese auch ökonomisch häufig abhängig sind. Was die Bundesregierung betreibt, ist damit das genaue Gegenteil von Opferschutz!

DIE LINKE. fordert die Koalition erneut auf, von der geplanten und von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen scharf kritisierten Regelung generell abzusehen. Es ist ein Skandal, dass Frauen aus Angst vor einer Abschiebung noch ein Jahr länger in Gewaltverhältnissen oder Zwangsehen ausharren sollen. Die Bundesregierung muss ihr Gesetzesvorhaben stoppen."