Verlängerung der Mindestehebestandszeit verstößt gegen Europarecht

„Die von der Koalition geplante Verlängerung der Mindestbestandszeit einer Ehe für die Erlangung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts von nachgezogenen Ehegatten verstößt gegen Europarecht. Die Bundesregierung muss ihr Gesetzesvorhaben stoppen, wenn schon nicht aus Interesse an den betroffenen Frauen, dann eben aus europarechtlichen Gründen", erklärt Sevim Dagdelen anlässlich des Urteils des Europäischen Gerichtshofes vom 9. Dezember 2010 zur Auslegung des Assoziationsrechts zwischen der EU und der Türkei (C-300/1/09). Die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE weiter:

„Die Erhöhung der Ehebestandszeit von zwei auf drei Jahre ist ein Skandal, denn Frauen in Gewaltverhältnissen oder auch Zwangsehen müssen so aus Angst vor einer Abschiebung ein Jahr länger ausharren. Das Thema ‚Zwangsheirat‘ und ‚Scheinehe‘ wird erneut für eine ausgrenzende Politik instrumentalisiert. Die Bundesregierung begründet die geplante Verschärfung mit einer angeblichen „Erhöhung der Scheineheverdachtsfälle" seit dem Jahr 2000. Doch auf meine Schriftliche Frage (Nr. 11/320) leugnet sie nicht, dass die Zahl der Tatverdächtigen wegen ‚Scheinehenverdachts‘ im Jahr 2009 mit 1.698 Personen nicht einmal ein Drittel so hoch war wie im Jahr 2000.

Ich begrüße die Zurückweisung der Verlängerung der Ehebestandszeit durch die Ausschüsse Frauen und Jugend sowie Familie und Senioren des Bundesrates und fordere den Bundesrat auf, die geplante Regelung abzulehnen und nicht gegen Europarecht zu verstoßen. Das Assoziationsrecht sieht seit Ende 1980 ein so genanntes Verschlechterungsverbot für türkische Arbeitnehmer vor, d.h. die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen darf nicht erschwert werden. Seitdem gewährte Erleichterungen dürfen auch nicht mehr zurückgenommen werden, hat der Gerichtshof nun klar entschieden. Das träfe aber auf die von der Bundesregierung beabsichtigte Verlängerung der Mindestehebestandszeit zu. Diese Regelung verstößt damit gegen Europarecht."