Völkerrechtliche Auslegung der Garantieverträge verweigert

"Die Bundesregierung zeigt ihr offenes Desinteresse an einer tragfähigen Lösung des Zypernkonfliktes. Und das zu einem Zeitpunkt, da sie den Vorsitz im UN-Rat führt. Ihre Auffassung, sich de facto nicht inhaltlich mit völkerrechtlichen Abkommen wie den Garantieverträgen zur Unabhängigkeit der Republik Zypern befassen zu müssen bzw. ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen ist absurd. Sie widerspricht auch dem Grundgesetz. Denn nach Artikel 25 des Grundgesetzes erkennt die Bundesrepublik nicht nur das Völkerrecht unmittelbar im internen Rechtsraum an. Ihr obliegt darüber hinaus auch die Kenntnisnahme und Auslegung bestehender völkerrechtlicher Verträge im Rahmen der Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten", kommentiert Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE., anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/6669). Das Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages weiter:

„Doch die Bundesregierung will nicht nur nichts über einen Bericht des Rechtsausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom Februar 2011 wissen, in dem die Gültigkeit der Verträge der Garantiemächte Zyperns (Griechenland, Türkei und Großbritannien), die im Zuge der Unabhängigkeit Zyperns 1960 geschlossen wurden, in Frage gestellt werden. Es interessiert sie auch offenkundig nicht. Und das obwohl oder gerade weil es dabei auch um die womöglich fehlende Rechtsgrundlage der von Bundeswehrsoldaten bei der Verlegung nach Afghanistan genutzten britischen Sovereign Base Areas (SBAs) geht. Wenn sie keine völkerrechtliche Auslegung vorgenommen hat, müsste sie die Nutzung dieser Militärbasen durch Angehörige der Bundeswehr sofort unterbinden und sich gegen eine Nutzung durch ihre Verbündeten in Missionen der Vereinten Nationen, der EU und der NATO auszusprechen.

Fragwürdig ist auch die Haltung der Bundesregierung zur völkerrechtswidrigen Praxis der Türkei, internationale Verträge wie das Ankara-Protokoll nach Belieben umzusetzen und von sachfremden Forderungen gegenüber der Republik Zypern abhängig zu machen. Denn anders als von der Bundesregierung darstellt, hängt die Verpflichtung zur Umsetzung des Ankara-Protokolls nicht von zyprischen Zugeständnissen und deren Kompromissbereitschaft gegenüber der türkisch-zyprischen Gemeinschaft im völkerrechtswidrig türkisch besetzten Teil der Republik Zypern ab. Mit dieser Ansicht stellt sie sich klar auf die Seite der türkischen Invasoren. Denn sie erweckt den Anschein, die gegenwärtige Teilung der Republik Zypern seien Folge der ‚Isolierung der türkisch-zyprischen Gemeinschaft‘. Es ist aber umgekehrt: die völkerrechtliche Isolierung des türkisch besetzten Teils der Republik Zypern ist eine Folge der völkerrechtswidrigen und das Gewaltverbot der UN-Charta missachtenden Militärinvasion in Zypern durch die Türkei. Die Bundesregierung muss sich endlich klar auf die Seite des Völkerrechts und damit auf die Seite der Republik Zypern stellen und die Türkei auffordern, ihre Verpflichtungen ohne Wenn und Aber endlich einzuhalten."