Wahrheitsboykott des Innenministers
„Es ist eine Unverschämtheit, dass der Bundesinnenminister eine offene Aufklärung dazu verweigert, wie genau es dazu kam, dass er und sein Staatssekretär das Parlament, die Medien und die Öffentlichkeit belogen haben. Welch ein ‚Zufall‘, dass Unterlagen wie Schriftverkehr und Mails zu dem Vorgang angeblich nicht mehr vorhanden sind. Fest steht aber, dass sie die Unwahrheit sagten, als sie auf entsprechende Nachfragen bestritten, dass der BILD-Zeitung die Studie ‚Lebenswelten junger Muslime in Deutschland‘ vorab durch das Ministerium zur Verfügung gestellt wurde. Eine Entschuldigung hierfür gab es nur hinter verschlossenen Türen im Innenausschuss des Bundestages – gegenüber dem Parlament, den Medien, der Öffentlichkeit und den Autoren der Studie soll es hingegen keine Entschuldigung geben", kritisiert die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, Sevim Dagdelen, anlässlich der Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/9512). Dagdelen weiter:
„Ich bin so einiges an ausweichenden und dreisten Antworten der Bundesregierung auf parlamentarische Anfragen gewöhnt. Der jüngste Antwortzettel jedoch ist eine pure Frechheit! Erinnern wir uns: Die BILD-Zeitung hatte vorab über die Ergebnisse einer vom Bundesinnenministerium (BMI) in Auftrag gegebenen Studie über junge Muslime veröffentlicht, und zwar in unverantwortlicher, rechtspopulistischer und hetzerischer Manier. Konkrete Fragen dazu, ob das BMI die Studie der BILD vorab übermittelt habe, wurden von Bundesinnenminister Friedrich persönlich und von seinem Staatssekretär Bergner im Parlament falsch beantwortet – wie später auf Anfrage der Linksfraktion bekannt wurde. Zerknirscht musste Friedrich dies im Innenausschuss des Bundestages einräumen, und er entschuldigte sich gegenüber den Abgeordneten im Ausschuss für die ‚Kommunikationsprobleme‘.
Eine Entschuldigung gegenüber den fehlinformierten Medien, dem brüskierten Parlament und den geschockten Autoren der Studie fehlt jedoch bis heute. Zur Begründung heißt es lapidar: Die Öffentlichkeit sei über die Entschuldigung des Ministers im Innenausschuss durch eine entsprechende Berichterstattung in den Medien unterrichtet worden.
Inakzeptabel ist auch, dass das Ministerium keine Auskunft dazu geben will, wie es kam, dass der Minister und sein Staatssekretär selbst eine Woche nach den in der Öffentlichkeit kritisierten Vorgängen (angeblich) nicht gewusst haben wollen, dass die BILD ein Exemplar der Studie vorab übermittelt bekommen hatte. Auch hierzu wird lediglich auf die nicht öffentlichen Ausführungen des Ministers im Ausschuss verwiesen. Nachgerade absurd ist schließlich die Behauptung, eine exklusive Vorabzurverfügungstellung der Studie habe es gar nicht gegeben, weil der ‚BILD-Zeitung bereits eine Zusammenfassung der Studie vorlag und von daher es keine ‚exklusive‘ Zurverfügungstellung der Inhalte der Studie‘ gegeben habe. Solche haarspalterischen Ausreden sind peinlicher als die eines beim Lügen ertappten Kindes! Ich erwarte eine umfassende Aufklärung der Vorgänge, und meine Fraktion wird sich über die Missachtung des parlamentarischen Fragerechts beschweren."