Weiterer Tabubruch. Faschisten in Kiew

Nein, nicht die gesamte ukrainische Regierung ist faschistisch. Die Oligarchen allerdings, die vom Westen unterstützt werden, setzen zunehmend auf Faschisten zur Herrschaftssicherung. Nazibataillone mit Hakenkreuz und SS-Rune am Stahlhelm kämpfen gegen die Bevölkerung in der Ostukraine und bedrohen jeden, der sich dem nationalistischen Taumel entziehen will. Der Führer des Rechten Sektors, Dmitro Jarosch, wird Berater des Kiewer Verteidigungsministeriums, seine Kumpane werden vom ukrainischen Staat bezahlt. Und schließlich verabschiedet die Regierung ein Gesetz, mit dem ehemalige ukrainische Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg auf seiten der Nazis kämpften, wie die Veteranen der SS-Division Galizien, Mitglieder der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA), als Unabhängigkeitskämpfer geehrt werden.

Dabei geht es nicht nur um Leute, die sich als ukrainische Hilfswillige an der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nazis beteiligten. Auch Schergen wie Petro Dyachenko, der an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands und der Ermordung von polnischen Bürgern beteiligt war, werden jetzt vom Kiewer Regime positiv bewertet. Man kann diese Vorgänge mit der Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft in Einklang bringen, wie dies etwa die EU-Kommission getan hat. Oder, wie die Bundesregierung und die Grünen, schlicht ignorieren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich immer mehr Menschen in der Ukraine gegen diese Angriffe auf die Menschlichkeit zur Wehr setzen werden.

Das Signal der Oligarchen und ihrer faschistischen Helfershelfer an die Opposition ist klar. Es geht ihnen um eine völkische Ukraine, in der Minderheiten, die sich dem Nationalismus nicht unterordnen wollen, Kommunisten, Linke oder Kriegsdienstverweigerer, massiv verfolgt werden. Washington und Berlin befördern diese Entwicklung, weil sie ein Interesse an einem antirussischen geopolitischen Frontstaat Ukraine haben. Wie sich die Lage dort entwickelt, könnte die Bundesregierung ihre Hilfsmilliarden für Kiew auch gleich an die NPD überweisen. Der ukrainischen Umwertung von Naziverbrechern zu Freiheitshelden käme in Deutschland etwa die Deklarierung des Massenmörders und SS-Führers Heinrich Himmler zum Verteidiger der deutschen Heimat gegen die bolschewistischen Horden gleich.

Es braucht einen antifaschistischen Aufbruch gegen diesen neuen Geschichtsrevisionismus. Denn was die Bundesregierung den Kiewern durchgehen lässt, ist nichts anderes als ein weiterer geschichtspolitischer Tabubruch ersten Ranges. »Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung«, so der Schwur der befreiten Buchenwald-Häftlinge vor 70 Jahren. Die Verhältnisse in Kiew sind mehr als ein Mahnzeichen. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit steht noch aus.

Die Autorin ist Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke für internationale Beziehungen und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss

Quelle: junge welt