Westerwelles Hegemonie – Biedermann und die Brandstifter

Oft wird behauptet, Außenminister Westerwelle wären die Schuhe seines Vorgängers Genscher zu groß. Angesichts der Balkanreise des Liberalen kann man aber jetzt schon sagen: Westerwelle schaut zumindest schon mal, ob sie nicht doch passen. Hatte Genscher Anfang der 90er Jahre mit seiner Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien, gegen alle internationale Kritik, die Kriege auf dem Balkan regelrecht mit heraufbeschworen, hört man jetzt von Westerwelle, nachdem mit deutscher Hilfe so viele Grenzen neu gezogen wurden, die territoriale Integrität der Staaten in der Region sei für Deutschland »unverhandelbar«. Ein Zynismus ohnegleichen.

Wieder einmal ist es die deutsche Außenpolitik, die auf dem Balkan vorprescht. Als erster Außenminister nach den schweren Unruhen im Norden des Kosovo, wegen der erneuten Provokationen der kosovo-albanischen Administration mit Hilfe des deutschen NATO-Generals Bühler, besucht Westerwelle die Region. Und er trifft sich mit dem »Regierungs­chef« Hashim Thaci. In einem Bericht des Europarates werden dem früheren UCK-Kommandeur zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Westerwelles politische Gespräche sind ein offener Affront gegen diejenigen EU-Mitgliedstaaten, die die völkerrechtswidrige einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo nicht anerkannt haben, wie Zypern, Spanien, Griechenland, Rumänien und die Slowakei. Als Gipfel der Provokationen besucht Westerwelle auch noch einen der umstrittenen Posten im Nordkosovo – an jener »Grenze«, die seine Soldaten schützen, nachdem er an deren Ziehung beteiligt war.

Offensichtlich will Westerwelle damit auch die Politik der Einschüchterung der serbischen Bevölkerung zelebrieren. Sie soll ihren Widerstand gegen NATO und UCK-Administratoren endlich aufgeben und sich in ihr Schicksal fügen. Die Botschaft ist unmißverständlich: Deutschland ist auf dem Balkan wieder die hegemoniale Macht.

In zwei Wochen soll Kanzlerin Merkel bei ihrem Besuch in Belgrad die Serben ins Gebet nehmen. Entweder ihr verzichtet auf das Kosovo oder ihr kommt nicht in die EU, so das Berliner Diktat. Es bleibt abzuwarten, welche Antwort die serbische Regierung dem deutschen Ultimatum geben wird. Eine Zustimmung zu einer derartigen völkerrechts- und europarechtswidrigen Erpressung würde bedeuten, daß Serbien seiner demokratischen Verpflichtung, seine Bürger und sein Territorium im verfassungs- und völkerrechtlichen Sinne zu schützen, nicht nachkommt. Und schlimmer: Es würde den Schlußstein setzen für die deutsche Hegemonie auf dem Balkan. Deutschland hätte erfolgreich eine Politik der Drohungen und Gewalt an die Stelle des Völkerrechts gesetzt.

Die Autorin ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuß des Bundestages und Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke