Westsahara: Besatzung beenden

Beratung unter anderem des Antrags der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Annette Groth, Heike Hänsel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. "Die Beendigung der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik Marokkos in der Westsahara und Lösung des Konflikts durch Referendum unterstützen" (BT-Drs. 17/13089)

Die Kriege in Jugoslawien, Afghanistan und Irak, die Propaganda gegen den Iran als Weltbedrohung, die uneingeschränkte Parteinahme für die damalige libysche und die heutige syrische Opposition und das Hofieren dieser sog. Rebellen, die den Bürgerkrieg weiter zu eskalieren suchen, um schließlich eine Intervention von außen zu befördern – all dem liegt die westliche Eigennützigkeit zugrunde. Die angebliche Prämisse der Förderung von Demokratie und Menschenrechten spielt in Wahrheit – wenn überhaupt – nur eine nachgeordnete Rolle. Zumeist wird sie gänzlich ignoriert, wie das Beispiel Marokko sehr deutlich zeigt.

Da kooperiert die Bundesregierung mit dem marokkanischen Regime aufs engste, an das sie Waffen liefert und dessen Soldaten und Polizisten sie ausbildet. Jene Soldaten und Polizisten, die vermutlich auch mit deutschen Ausrüstungen am 8. November 2010 gewaltsam das „Camp der Würde" in der Wüste vor den Toren der Stadt El-Aaiún räumten. Dabei starben nach sahrauischen Angaben 12 Menschen, mehrere hundert Demonstranten wurden schwer verletzt. Das Camp wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Zelte in Brand gesteckt. Die Bundesregierung belohnt auch noch Marokko dafür, dass sie durch die Besatzung Völkerrecht bricht und sich kontinuierlich schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig macht. Sie lässt die sahrauische Bevölkerung für die schmutzigen Dienste Marokkos bei der vermeintlichen Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Flüchtlingsabwehr im wahrsten Sinne des Wortes „bluten".

Sonst unterstützt die Bundesregierung jede beliebige Gruppierung beim Streben nach Unabhängigkeit. Sie muss sich nur geostrategische Vorteile versprechen und das Interesse des deutschen Kapitals sehen. Menschenrechte und Völkerrecht spielen da eine untergeordnete Rolle. Diese sieht die Bundesregierung offenkundig im Falle der Sahrauis und der Westsahara nicht. Denn sie stellt sich auch weiterhin nicht auf die Seite des Völkerrechts, sondern auf die Seite der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik Marokkos. Sie stellt sich auf die Seite derer, die das geforderte Referendum verhindern bzw. auf den Sanktnimmerleinstag verschieben wollen und damit die sahrauische Bevölkerung der Westsahara dauerhaft ihres Rechtes auf Selbstbestimmung berauben. Ihre Unterstützung für das marokkanische Besatzungsregime trägt dazu bei, dass eine endgültige Klärung des völkerrechtlichen Status der Westsaharazu behindern. Schlimmer noch: das offen und demonstrativ gezeigte absolute Desinteresse der Bundesregierung an einer Klärung setzt ein klares Zeichen für die Zukunft. Denn eine militärische Konfrontation ist nicht mehr ausgeschlossen. Durch sofortige und konkrete Schritte zu einem Referendum könnte diese verhindert werden. DIE LINKE. unterstützt alle dahingehenden Schritte. Sie teilt in diesem Sinne auch einige der Forderungen des SPD/Grünen-Antrages. Der Antrag hat aber ein grundsätzliches Manko weshalb wir als LINKE auch nicht zustimmen können. Dieser Antrag lässt es in der zentralen Frage des Konflikts an Klarheit fehlen. So ist nicht klar benannt, dass es sich um eine völkerrechtswidrige Besetzung und Besatzung der Westsahara handelt. Sehr verkürzend wird von einer „völkerrechtswidrigen Verwaltung" geschrieben. Kein Wunder also, wenn eine wirtschaftliche Ausbeutung der Westsahara durch Marokko akzeptabel zu sein scheint, sofern "sie der saharauischen Bevölkerung zu Gute kommt". Diese Formulierungen deuten an, dass SPD und Grüne die jetzige Politik geradewegs fortsetzen wollen, wenn sie selbst wieder einmal an einer Regierung beteiligt sind. Die Besatzung selbst ist schlicht illegal und muss beendet werden – daran ist eine Position für das Völkerrecht und die Menschenrechte zu messen!

DIE LINKE will, nicht einfach nur, dass die Sahrauis an der illegalen Ausbeutung im Nachgang irgendwie beteiligt werden. Sie sind es, die darüber entscheiden können müssen, ob überhaupt eine Ausbeutung der Ressourcen stattfinden soll. Und wenn sie das wollen, sind auch sie es, die darüber entscheiden müssen, in welcher Art und Weise dies zu geschehen hat. So funktioniert Demokratie! So sieht es das internationale Recht vor! All das wird ihnen völkerrechtswidrig durch die marokkanischen Besatzer verwehrt. Sahrauis, die sich wie damals im „Camp der Würde" gegen diese völkerrechtswidrige Besatzung und ihre Folgen wehren, werden eingesperrt, gefoltert oder gar getötet. Mit diesen Menschenrechtsverletzungen und mit der systematischen Diskriminierung der Sahrauis muss endlich Schluss sein! Und Schluss sein muss auch damit, dass die Bundesregierung marokkanische Regime bei jeder Gelegenheit hofiert und damit das Königshaus gegen die Protestbewegungen unterstützt. Sie muss endlich alles tun, Marokko von der völkerrechtswidrigen Besatzung der Westsahara und den dort stattfindenden Menschenrechtsverletzungen abzuhalten, auch um eine weitere Eskalation in der gesamten Region zu vermeiden. Und dazu bedarf es eben wesentlich stärkerer Maßnahmen als die, die im SPD/Grünen-Antrag formuliert sind. Hauptziel muss sein, das marokkanische Regime zu bewegen, endlich die Resolution 690 des UN-Sicherheitsrat vom 29. April 1991 umzusetzen und das Referendum über die Zukunft der Westsahara unter UN-Aufsicht nicht weiter zu blockieren.

DIE LINKE fordert deshalb unter anderem:

  • dafür Sorge zu tragen, dass die Begünstigungen Marokkos im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik und des „fortgeschrittenen Status" (advanced status) sowie das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Marokko solange ausgesetzt werden, bis das Referendum über die Zukunft der Westsahara unter UN-Aufsicht stattgefunden und Marokko die völkerrechtswidrige Besatzung der Westsahara beendet hat;
  • die Beteiligung deutscher Unternehmen an Abbau, Abtransport und Weiterverarbeitung von Ressourcen wie Phosphaten in der Westsahara oder Fischfang sowie an Explorationen z.B. von Öl und Gas nicht weiter zu decken, sondern zur Anzeige zu bringen;
  • sich dafür einzusetzen, dass ein Agrarabkommen zwischen der EU und Marokko nicht im Widerspruch zum Völkerrecht steht, indem die Gebiete der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara ausdrücklich ausgenommen werden;
  • darauf hin zu wirken, dass bei Verlängerung der UN-Mission MINURSO das Mandat auf die Beobachtung und Meldung von Menschenrechtsverletzungen in der Westsahara erweitert wird, solange unabhängige Menschenrechtsbeobachter/innen keinen freien Zugang zu den besetzten Gebieten haben;
  • jegliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe für marokkanische Polizei- und Armeekräfte ist einzustellen.

Es wird endlich Zeit, die Unterstützung gegenüber autoritären Regimen zu beenden und die deutsche Außenpolitik auf Rechts- und Sozialstaatlichkeit sowie auf das Völkerrecht zu orientieren.