Wirtschaftliche Interessen gehen vor Völkerrecht

"Neben den USA und Frankreich ermöglicht auch die Bundesregierung, dass Marokko auch weiterhin ungestraft das Völkerrecht beschädigen und die Menschenrechte massiv verletzen kann", stellt Sevim Dagdelen, Sprecherin für Internationale Beziehungen der Fraktion DIE LINKE und Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages angesichts der aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine diesbezügliche Kleine Anfrage fest. Sevim Dagdelen weiter:

"Die Bundesregierung braucht dringend völkerrechtlichen Nachhilfeunterricht! Sie versteckt sich hinter den bisher vergeblichen Versuchen der UNO, die maßgeblich von eben diesen Ländern blockiert werden. Der Frage nach einer Bewertung der Annexion der Westsahara durch Marokko entzieht sich die Bundesregierung interessanterweise mit dem Verweis auf den vermeintlich völkerrechtlich ungeklärten Status der Westsahara. Neben der Bedeutung von Dekolonisationspflicht und Selbstbestimmungsrecht stellte das Gutachten des Internationalen Haager Gerichtshofs zur West-Sahara von 1975 bereits explizit fest, dass die marokkanische Verwaltung völkerrechtlich als ,Besatzung‘ zu werten sei, mit allen damit verbundenen Pflichten wie der Unterbindung externer Besiedlung.

Offensichtlich will die Bundesregierung die Diskussionen über die eigenen Beziehungen zu Marokko und die der EU angesichts ökonomischer Interessen und vor dem Hintergrund der Rolle Marokkos im ,Kampf‘ gegen irreguläre Migration nicht trüben lassen. Bei allen völkerrechtlichen sowie flüchtlings- und menschenrechtspolitischen Problemen stellt die Bundesregierung weder den ,Fortgeschrittenenstatus‘ der Beziehungen zwischen der EU und Marokko noch das angestrebte Rückübernahmeabkommen der EU mit Marokko in Frage. Von einer ,ausgewogenen Balance aller Aspekte der Migrationspolitik‘ kann kaum die Rede sein. Im Gegenteil: ökonomisch belohnt wird der Eifer bei der Bekämpfung der Flüchtlingen. Eine derartige Zurückhaltung der Bundesregierung und der EU verleitet Marokko und andere Länder eher zu weiteren Menschenrechtsverletzungen. Somit trägt die Bundesregierung bei jeder Menschenrechtsverletzung eine Mitschuld."