Zum Antrag der FDP "Unzumutbare Hindernisse beim Ehegattennachzug abbauen"

Vielen Dank, Herr Präsident.

‑ Herr Grindel, ich kann nicht anders, aber ich muss schon gestehen: Wenn ich rein hypothetisch zugestehen würde ‑ das tue ich hiermit allerdings nicht, weil ich grundsätzlich bezweifle, dass es Parallelwelten gibt ‑, dass es Parallelwelten gibt, dann würde ich sagen, dass Sie in einer Parallelwelt und nicht auf dem Boden der Verfassung leben.

(Beifall des Abg. Hüseyin-Kenan Aydin (DIE LINKE) sowie des Abg. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Denn wir halten es für legitim, dass die Menschen frei auswählen können, wen sie heiraten und woher diese Person kommt. Pauschale Verdächtigungen, dass Menschen, die aus ländlichen Regionen kommen, nicht integrierbar seien, werfen bei mir die Frage auf, ob jemand, den man heiraten will und aus einer ländlichen Region in Deutschland kommt, bei Ihnen auch noch einmal hinsichtlich seiner Integrierbarkeit getestet werden muss.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bauer sucht Frau!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

die türkischen Tageszeitungen Zaman und Türkiye berichteten Anfang dieser Woche ‑ ich zitiere ‑: Spracherfordernis für die Familienzusammenführung hat noch eine Familie getroffen.

Worum ging es dabei?

‑ Es ging um eine schwangere Frau in der Türkei. Sie musste zwischen ihrer Stadt und dem deutschen Konsulat in Izmir hin und her pendeln. Für diese Frau hat die Neuregelung zum Ehegattennachzug tragische Folgen. Wegen des Stresses hat sie nämlich ihr Baby verloren.

Es gibt weitere Fälle wie beispielsweise den Fall der Familie Akkus aus Herne. Das Erschütternde ist, dass diese Fälle keinerlei Umdenken bei der Bundesregierung auslösen. Ganz nach dem Motto: „Lieber eine Unschuldige zu viel, als eine Schuldige zu wenig", werden solche tragischen Fälle von der Bundesregierung bewusst in Kauf genommen. Als Argumente für die Sprachanforderungen dienen dabei die Bekämpfung der Zwangsverheiratung und bessere Integrationschancen in Deutschland. Belege dafür bleibt uns die Bundesregierung seit der Novellierung des Zuwanderungsgesetzes trotz meiner wirklich konsequenten Kleinen Anfragen bisher schuldig.

(Beifall bei der LINKEN – Reinhard Grindel (CDU/CSU): Fragen Sie mal die Stadtteilmütter in Neukölln!)

Das ist auch kein Wunder, meine Damen und Herren, denn es gibt all diese Belege nicht. Da helfen auch die merkwürdigsten unbewiesenen Behauptungen des Bundesinnenministers nichts. Da wird zum Beispiel im Nachbericht zum Rat der Justiz- und Innenminister am 26. und 27. Februar 2009 in Brüssel das Problem arrangierter Ehen thematisiert und dann darauf verwiesen, dass 40 Prozent der in Deutschland geborenen türkischstämmigen Personen Ehepartner aus ländlichen Regionen der Türkei geheiratet haben und diese zudem in Deutschland schwer integrierbar seien.

Ich frage mich: Was eigentlich ist die Grundlage für so eine Aussage unserer Bundesregierung? Offensichtlich ist für die Bundesregierung eben doch die Herkunft aus einer ländlichen Region gleichbedeutend mit arrangierten Ehen, so wie ich das zuvor schon gesagt habe. Ich finde, das ist ein Skandal und gehört abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn die Bundesregierung schon nicht verhindern kann, wer wen heiratet, so macht sie doch eines: Sie schikaniert und diskriminiert die Ehegatten, ohne für die von ihr geschürten Vorurteile auch nur ansatzweise belastbare Daten zu haben. Etwas Belastendes hat die Bundesregierung aber in ihrer Antwort auf meine letzte Kleine Anfrage auf der Drucksache 16/11811 geliefert: Seit Einführung der Spracherfordernisse ist die Zahl der Ehegattennachzüge um insgesamt 22 Prozent zurückgegangen. Der Rückgang beträgt bei einzelnen Herkunftsländern bis zu 67 Prozent. Die Zahl der Ehegattennachzüge aus der Türkei ging um 33 Prozent zurück.

Angesichts dieser verfestigten Entwicklung wie die FDP in ihrem Antrag davon zu sprechen, dass die in der Praxis wirkenden Folgen „vom Gesetzgeber weder vorgesehen noch intendiert" seien, kann wohl kaum ernst genommen werden. Das ist eine zynische Formulierung. Wir können diesem Antrag so selbstverständlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Antrag der FDP geht von völlig falschen Annahmen aus. Hier hat sich nicht einfach eine Praxis herausgebildet, die zusätzliche Hürden produziert. Hier gibt es eine gezielt geschaffene Rechtslage, die diese Praxis zur Folge haben soll. Wer diese Praxis ändern will, muss die Rechtslage ändern. Für die Linke gilt das Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie unabhängig von der Herkunft. Wir halten es für unerträglich, dass dieses Grundrecht nur für Menschen aus bestimmten Ländern und auch noch aus bestimmten Regionen gelten soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir halten das für verfassungswidrig. Deshalb fordern wir eine Abschaffung dieser Regelungen, weil sie einfach verfassungswidrig und inhuman sind. Sie sind ausgrenzend, diskriminierend und nicht zuletzt rassistisch.

(Beifall bei der LINKEN ‑ Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dann haben wir damit das gesamte Programm gehört!)