Zweimal Lima

EU-Lateinamerika-Gipfel ohne greifbare Ergebnisse. Erfolgreiches Basistreffen
Von Harald Neuber

Nach dem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Lateinamerikas, der Karibik und Europas sprechen die Zahlen für sich. Im Nationalmuseum in der peruanischen Hauptstadt Lima kamen am Freitag gut 50 Staats- und Regierungs­chefs aus den drei Regionen zusammen. Einige Kilometer weiter nördlich trafen sich derweil in der Universität für Ingenieurswissenschaften 7000 Vertreter sozialer Organisationen. An der Kundgebung ihres alternativen »Gipfels der Völker« nahmen nach Angaben der deutschen Bundestagsabgeordneten der Linkspartei, Sevim Dagdelen, sogar 20000 Menschen teil.

Während der fünfte EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel ohne greifbare Ergebnisse zu Ende ging, trennten sich die sozialen Organisationen mit konkreten Zielen: Eine »andere Integrationspolitik ist möglich«, hieß es in der Abschlußerklärung des Basistreffens, das zum dritten Mal parallel zum Staatsgipfel ausgerichtet wurde. Die angestrebte Integration müsse neuen Prinzipien folgen, hieß es, darunter »das Selbstbestimmungsrecht der Völker, die Achtung vor der Natur und vor den Menschenrechten«. Das Dokument weist explizit hin auf die »Regierungen, die Abstand vom Neoliberalismus nehmen« und gleichwertige Beziehungen zu allen Staaten der Erde suchen.

»Vor allem die große Beteiligung von Jugendlichen und Indigenen war auffällig«, sagte im jW-Gespräch Kerstin Sack, Mitglied im Koordinierungsrat vom ATTAC-Netzwerk Deutschland. Während das Alternativtreffen andauernden Diffamierungen von der staatsnahen Presse in Peru ausgesetzt war, hätte sich der offizielle Gipfel den sozialen Diskurs der Basis angeeignet, so Sack weiter: »Eine Änderung ihrer Politik bedeutet das aber nicht«. Auf diesen Widerspruch wurde auch in der Abschlußerklärung des Alternativgipfels hingewiesen: »Während die Regierungen in Lima von sozialem Zusammenhalt, Klimawandel und Armutsbekämpfung reden, muß daran erinnert werden, daß das Primat des Marktes der Hauptgrund für Ungleichheit, soziale Polarisierung, Umweltzerstörung und Diskriminierung ist.«

Auf dem offiziellen Treffen hatte sich diese Erkenntnis nicht durchgesetzt. Zwar reichten sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der venezolanische Präsident Hugo Chávez nach Auseinandersetzungen im Vorfeld die Hand. Doch letztlich ging die Zusammenkunft der Staats- und Regierungschefs mit einer weitgehend nichtssagenden Deklaration zu Ende. Auch die von der EU forcierten Gespräche über Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsverbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay, Venezuela), der Andengemeinschaft (Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru) sowie Zentralamerika scheiterten am Marktprotektionismus Europas. Vor diesem Hintergrund wirkten die Angriffe europäischer Vertreter gegen die »marktfeindliche« Politik der neuen Linken in Lateinamerika geradezu höhnisch. Nach Angaben von Kerstin Sack reagierte Boliviens Präsident Evo Morales auf diese Vorwürfe mit einem einfachen Vorschlag: Die Handelsverträge zwischen der EU und Lateinamerika sollten doch durch Referenden legitimiert werden, dann werde sich zeigen, welche Vorschläge von der Bevölkerung getragen werden.

Sevim Dagdelen bezeichnete das offizielle Gipfeltreffen gegenüber jW als Fehlschlag, weil alle von der EU geplanten Freihandels- und Assoziierungsabkommen gescheitert seien: »Das Solidaritäts- und Antiimperialismus-Abkommen der Basis wurde dagegen besiegelt«.

Der Artikel online: http://www.jungewelt.de/2008/05-19/041.php