Der Schulterschluss

Merkel besucht Erdogan in Ankara

Sevim Dagdelen

Mit einem klaren Pressestatement hat Bundeskanzlerin Angela Merkel nach ihrem Treffen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan alle Zweifel ausgeräumt, was Sinn und Zweck ihrer Ankara-Reise war. Sicherlich: Ein wenig Meinungsfreiheit in der Türkei wurde eingefordert, prominenter aber war die Erklärung, gemeinsam mit Erdogan den Kampf gegen den Terrorismus führen zu wollen. Wohl wissend, dass es er selbst ist, der den islamistischen Terror fördert, der nach Angaben der Bundesregierung die Türkei in eine Aktionsplattform des islamistischen Terrors verwandelt hat. Zudem musste Merkel bekannt sein, dass auch ein gemeinsamer Kampf gegen den Terrorismus von Erdogan als Krieg gegen Demokraten und Kurden geführt wird.

Bereits der Besuch der Kanzlerin vor den Wahlen im November 2015 in der Türkei stärkte dem türkischen Präsidenten den Rücken. Das gleiche gilt für die jetzige Reise so kurz vor dem Referendum, mit dem die Diktatur Erdogans in Rechtsform gegossen werden soll. Doch bei dieser Visite war die Willfährigkeit gegenüber dem Diktator mit Händen zu greifen. So mussten alle Appelle an sie, wenigstens die Freilassung des Oppositionsführers Selahattin Demirtas zu fordern, ins Leere laufen. Merkels Willfährigkeit gegenüber Erdogan ist eiskaltes Kalkül und rücksichtslose Interessenvertretung, auch wenn darüber Demokraten und Kurden zugrunde gehen.

Es wäre falsch, diese Interessen auf den Deal gegen die Flüchtlinge zu reduzieren. Vielmehr soll die Türkei für deutsche Unternehmen ein Profitparadies bleiben. Der exorbitante deutsche Kapitalexport trug wesentlich mit zur Stützung des Systems Erdogan bei. Zudem ist das Land Deutschlands unsinkbarer Flugzeugträger und wird das nach Merkels Besuch auch bleiben. Denn bei allen Unstimmigkeiten wurde die enge Zusammenarbeit in der NATO beschworen. Gern kam man Erdogan auch mit einer Intensivierung der konkreten sicherheitspolitischen Zusammenarbeit entgegen. Parallel zu Merkels Besuch führten – wie der Zufall es will – deutsche Beamte genau darüber Gespräche in Ankara. Es bedarf keiner großen Phantasie, um zu wissen, wohin die Kooperation auf diesem Gebiet mit einer diktatorisch regierten Türkei führen wird. Das ist ein klares Signal Merkels, dass man das Erdogan-Netzwerk in Deutschland, das Kritiker bedroht und ausspioniert, keinesfalls zu zerschlagen gedenkt. Im Gegenteil ist man bereit, ihm von Fall zu Fall zur Hand zu gehen.

Merkel ist eine Handlungsreisende des deutschen Imperialismus, der auf eine enge Militärpartnerschaft Berlin-Ankara setzt. Wenn sie einige Oppositionelle in der deutschen Botschaft trifft, gehört das zur nötigen Vorspiegelung von Sorgen um Demokratie und Menschenrechte. Von jetzt an ist klar: Erdogans Gefangene sind auch die Gefangenen Merkels, die Verbrechen des türkischen Präsidenten sind auch die Verbrechen der deutschen Kanzlerin. Erdogans Terrorismus ist auch der Terrorismus Merkels.

Sevim Dagdelen ist Sprecherin für internationale Beziehungen der Fraktion Die Linke im Bundestag und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses

Quelle: junge welt

Das könnte dich auch interessieren …