Politische Betätigung der DITIB-Gemeinden für die Türkei

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Inwieweit kann nach (auch nachrichtendienstlicher) Kennt­nis der Bundesregierung vor dem Hintergrund, dass der tür­kische Nachrichtendienst MIT seine Aufklärungsarbeit in Deutschland im Zuge des Putschversuchs ausgeweitet und intensiviert hat (Bundestagsdrucksache 18/10739), und der Anweisung der türkischen Religionsbehörde Diyanet zur Spit­zelei für den türkischen Staat (Plenarprotokoll 18/211) davon ausgegangen werden, dass die DITIB-Gemeinden in Deutsch­land – deren Imame von Ankara ausgebildet, ausgewählt und bezahlt werden – dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und der AKP bei ihren Versuchen dienen, die „Auslandstürken“ für ihre politischen Ziele einzuspannen, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Be­sorgnis über die jüngsten Entwicklungen in der Türkei sowie über Einflussoperationen türkischer Geheimdienste gegen die türkische Minderheit in Deutschland bzw. gegen Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund (http://mobile.reuters.com/article/idUSKBN1532UP)?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes­minister des Innern:

Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der erste Teil Ih­rer Frage betrifft ein laufendes Ermittlungsverfahren des Generalbundesanwalts. Weitere Angaben hierzu können derzeit nicht gemacht werden, um den Untersuchungs­zweck des Verfahrens nicht zu gefährden. Eine abschlie­ßende Bewertung des Vorgangs ist der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher nicht möglich.

Zum zweiten Teil Ihrer Frage, welche Konsequenzen die Bundesregierung aus der Besorgnis über die jüngsten Entwicklungen in der Türkei sowie über Einflussoperati­onen türkischer Nachrichtendienste gegen die türkische Minderheit in Deutschland bzw. gegen Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund zieht: Die Bundesre­gierung nimmt jegliche Hinweise auf ausländische Spi­onageversuche und nachrichtendienstliche Bemühungen, Einfluss auf die Meinungsbildung von Teilen der deut­schen Bevölkerung zu erlangen, sehr ernst. Dies betrifft auch eine mögliche Einflussnahme der türkischen Regie­rung unter anderem auf DITIB bzw. auf türkische und türkischstämmige Bürgerinnen und Bürger in Deutsch­land. Es ist Aufgabe der Länder zu prüfen, ob DITIB den Status einer selbstständigen Religionsgemeinschaft verliert.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Dağdelen.

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Herr Staatssekretär Schröder, ich kann nachvollzie­hen, warum die Bundesregierung hier ständig auf das eingeleitete Ermittlungsverfahren der Generalbundes­anwaltschaft verweist. Wir haben es ja begrüßt – es war auch längst überfällig –, dieses Verfahren nach mehre­ren Wochen Nichtstuns einzuleiten. Aber ich muss doch sagen: Dieses Verfahren der Generalbundesanwaltschaft wurde am 18. Januar 2017 eingeleitet, und die Spitzel­vorwürfe bezüglich DITIB gehen auf Beginn Dezember zurück. Trifft es zu, dass der Bundesregierung die Spit­zelberichte der DITIB-Imame seit Mitte Dezember vor­liegen? Falls dies so ist: Was hat die Bundesregierung von Mitte Dezember bis zur Einleitung des Verfahrens der Generalbundesanwaltschaft am 18. Januar getan, um diesen sehr schwerwiegenden Vorwürfen nachzugehen?

Heute lese ich beispielsweise, dass sogar fünf Lehrer an staatlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen durch DITIB bespitzelt worden sind – und die Landesregie­rung – das muss ich dazusagen – von SPD und Grünen ist immer noch willens, mit diesem Verein zusammen­zuarbeiten. Ich halte das für skandalös. – Aber können Sie mir vielleicht sagen, was die Bundesregierung in der Zwischenzeit getan hat, bis das Verfahren eingeleitet worden ist?

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes­minister des Innern:

Die Bundesregierung unterstützt die Generalbun­desanwaltschaft in jeder Hinsicht, um dieses Verfahren durchzuführen. Jetzt ist es Sache der Generalbundesan­waltschaft, das Verfahren zu führen. Die Kritik, dass dies erst so spät begonnen wurde, trifft die Generalbundesan­waltschaft, aber nicht die Bundesregierung.

Vizepräsidentin Claudia Roth:

Frau Dağdelen, Rückfrage?

Sevim Dağdelen (DIE LINKE):

Ja. – Ich möchte gerne wissen, inwieweit es in der Zeit seit Wissen um diese Spitzelberichte bis zur Einleitung des Verfahrens durch die Generalbundesanwaltschaft Erwägungen und auch Gespräche von Vertretern der DITIB-Moscheegemeinden mit Vertretern der Bundesre­gierung gab. Gab es diese Gespräche, und wenn ja, was sind die Konsequenzen aus diesen Gesprächen? Denn nach wie vor sind hier ja Imame, von denen man nicht weiß, ob sie Andersdenkende, vermeintliche Regimegeg­ner in Kultureinrichtungen, Bildungseinrichtungen oder sonstigen Einrichtungen in Deutschland bespitzeln.

Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundes­minister des Innern:

Wir erwarten, dass DITIB seinerseits jetzt alles dafür tut, aufzuklären. Es darf nichts vertuscht werden. Das ist unsere Erwartung.

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