Tornado-Einsatz beenden – Kurden nicht kriminalisieren
Plenarrede am 21. November 2017 anlässlich der Beratung zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Einsatzes bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS (Bundestagsdrucksache 19/23)
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung gibt vor, sich weiter am Krieg gegen den IS in Syrien und auch im Irak beteiligen zu wollen. Dabei wollen Sie, dass deutsche Tornados von Jordanien aus die Luftaufklärung für die Kriegskoalition aus NATO-Staaten, aber auch aus Golfdiktaturen übernehmen.
Der Antrag der Bundesregierung allerdings wirkt wie aus der Zeit gefallen. In Syrien ist vor wenigen Tagen der IS aus der letzten von ihm gehaltenen Stadt von der syrischen Armee mit Unterstützung Russlands verdrängt worden.
(Beifall bei der AfD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Am gegenüberliegenden Euphrat-Ufer haben die kurdischen Kämpfer der YPG gemeinsam mit den US-Amerikanern den IS fast bis an die irakische Grenze gedrängt. So verbleiben dem IS nur noch wenige Wüstengebiete, von denen absehbar ist, dass sie binnen kurzer Zeit fallen werden. Was also will die Bundeswehr von Jordanien aus zur Bekämpfung des IS weiter beitragen?
(Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Gute Frage!)
Diese Antwort sind Sie heute hier schuldig geblieben, liebe Bundesregierung.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Dabei ist der Einsatz der Bundeswehr selbst bisher ein einziges Desaster.
(Beifall des Abg. Norbert Kleinwächter (AfD))
Nachdem der Despot vom Bosporus uns Mitgliedern des Deutschen Bundestages unser Besuchsrecht verweigerte, verlegten Sie die deutschen Soldaten in die nächste Autokratie, nach Jordanien, und unterwarfen die Soldaten dort dann auch noch der Scharia-Gesetzgebung. Na, diese Soldaten werden sich bei Ihnen bedanken, Frau von der Leyen.
(Beifall bei der LINKEN und der AfD – Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Großer Beifall bei der AfD! – Ulli Nissen (SPD): Da klatscht auch die AfD! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist doch nichts Neues, dass rechts und links zusammenkommen! Das ist immer schon so gewesen!)
Wir als Linke finden das unverantwortlich. Es zeigt auch, wie abenteuerlich Ihre Außen- und Sicherheitspolitik ist.
Es ist zudem ein Skandal, menschlich wie politisch, dass Sie sich in der Bundesregierung noch nicht einmal für die Folgen Ihres eigenen Bundeswehreinsatzes interessieren. Das wird an Ihrer Auskunft deutlich, man führe in Deutschland – ich zitiere –
keine Statistiken über die Zahl, Art oder Wirksamkeit der im Rahmen der Allianz geflogenen Lufteinsätze.
und deshalb könne man kein – Zitat –
umfassendes Bild über die … Wirksamkeit der Lufteinsätze … erstellen.
(Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Man will das nicht!)
Zitat Ende. Das, meine Damen und Herren, ist ein militärischer sowie politischer Offenbarungseid, und es ist eine humanitäre Bankrotterklärung von Ihnen, dass Sie nicht einmal vorgeben, eine Ahnung davon zu haben, welche Folgen Ihre Luftschläge für die Zivilisten in Syrien haben. Wir, die Linke, wollen diesen Wahnsinn beenden. Wir finden, damit muss Schluss gemacht werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Vor diesem Hintergrund ist es heuchlerisch von Ihnen, eineerseits die russischen Bomben zu verurteilen – das machen wir auch. Andererseits geben sie vor, nicht zu wissen, ob und wie viele Zivilisten bei Ihren eigenen Bombardements zu Tode kamen. Diese Heuchelei ist unerträglich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Geradezu absurd und politisch an Zynismus kaum zu überbieten ist, dass die Bundeswehr in ein Kriegsabenteuer gegen den IS geschickt wird und gleichzeitig hier in Deutschland die Fahnen derjenigen verboten werden, die sich dem IS seit Jahren mutig entgegenstellen.
(Beifall bei der LINKEN)
Es ist diese Fahne der kurdischen Volksverteidigungseinheiten, der YPG.
(Die Rednerin zeigt ein Papier)
Herr de Maizière, ich finde, es ist eine Schande, dass Sie denjenigen, die die Jesiden vor den Terrorhorden des IS im Shengal gerettet haben, deren Frauenbataillone Kobane verteidigt haben, die die Hauptstadt des IS, Rakka, befreit haben, in den Rücken fallen. Diese mutigen Kämpferinnen und Kämpfer haben Ihre Heuchelei und Doppelmoral nicht verdient.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb sage ich: Beenden Sie diesen Bundeswehreinsatz! Lassen Sie die Bundeswehr nach Hause kommen; aber beenden Sie auch dieses schändliche Verbot der Fahnen der Menschen, die sich den Terrorbanden des IS auch an der Seite dieser Koalition in den letzten Jahren mutig entgegengestellt haben.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD)
Kurzintervention
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Uns fehlt niemals der Mut. Das ist anders als bei Ihnen, Herr Kollege.
Aber, Herr Gabriel, kommen wir zum Thema. Meine Kollegen hatten mich gebeten, Ihre Rede nicht noch zu verlängern. Deshalb hatte ich mich eigentlich zu einer Kurzintervention gemeldet, aber egal; ich sehe es dem Präsidenten nach. Ich möchte Sie nur um eines bitten: Zur Redlichkeit unter Kollegen gehört, Herr Gabriel, nicht zu behaupten, dass eine Kollegin oder ein Kollege etwas getan haben soll, was sie oder er nicht getan hat.
Ich habe in meiner Rede – das wissen Sie ganz genau – nirgendwo eine Organisation erwähnt, die von Ihnen erwähnt wurde, nämlich die PKK, die natürlich als Terrororganisation gelistet ist. Ich habe eine andere Organisation genannt, nämlich die kurdischen Volksverteidigungseinheiten, die YPG. In dem Zusammenhang habe ich darauf hingewiesen, dass diese Bundesregierung heuchlerisch ist, weil sie einerseits sagt, dass diese Organisation, die auf keiner internationalen Terrorliste steht und deshalb auch keine verbotene Organisation ist, nicht dem Vereinsverbot unterliegt, es aber andererseits auf Wunsch des türkischen Präsidenten einen Erlass gibt, die Fahnen und Symbole dieser Organisation in Deutschland zu verbieten. Das hat mit dazu geführt, dass letzte Woche ein junger Wissenschaftler in München um sechs Uhr morgens von der Polizei geweckt wurde, um bei ihm eine Hausdurchsuchung durchzuführen, weil er auf Facebook mit diesen Kämpfern sympathisiert hat gegen die Barbaren des „Islamischen Staats“.
Die Kämpferinnen und Kämpfer der YPG kämpfen an Ihrer Seite gegen den IS. Sie kämpfen an der Seite der US-Amerikaner, und Sie unterstützen das.
(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ruhig werden!)
Ich finde es heuchlerisch, sich zum Büttel des türkischen Präsidenten zu machen, der von der Bundesregierung verlangt, die Kurden hier wegen ihrer Sympathie mit den Kämpfern gegen den IS in Syrien zu kriminalisieren. Das habe ich gesagt und nichts anderes.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der AfD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zur Redlichkeit gehört: Wenn Sie mich ansprechen, dann unterstellen Sie mir nichts, sondern sprechen Sie zur Sache. Finden Sie es richtig, dass hier die Fahnen und Symbole der YPG, die gegen den IS in Syrien kämpft, verboten werden? Beantworten Sie diese Frage, Herr Gabriel!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder (CDU/CSU): Jetzt aber! Das ist eine Frechheit hier!)