Ultimative Feinderklärung

Gastkommentar von Sevim Dagdelen in der Tageszeitung junge Welt vom 13. Juli 2023 zur NATO-Positionierung gegen China


Weder das Bekenntnis zur Intensivierung des Stellvertreterkrieges der NATO gegen Russland, noch die Blockade diplomatischer Initiativen der Ukraine und das überbordende Hofieren des türkischen Staatspräsidenten waren das Bemerkenswerteste des Gipfels in Litauen, sondern die Kampfansage der Militärallianz an China. Was mit dem NATO-Gipfel im vergangenen Jahr durch die Markierung Chinas als »systemischer Rivale« begonnen hatte, wurde in Vilnius drastisch zugespitzt, ganz als wäre ein kommender Krieg gegen Beijing die neue Agenda.

China wird in der Abschlusserklärung des Gipfels als Herausforderung für die Interessen der NATO beschrieben. Die Volksrepublik »strebt danach, die regelbasierte internationale Ordnung umzustürzen«, heißt es wie in einer ultimativen Feinderklärung. In der Folge werden durch die NATO China detaillierte Vorschriften gemacht, wie es sein Verhältnis zu Russland auszugestalten habe. Sprache und Duktus der NATO-Erklärung gegenüber China erinnern an die Zeit der ungleichen Verträge in der Ära des Kolonialismus.

Kein Zweifel: China ist für die NATO der Hauptfeind, den es niederzuwerfen gilt. Dabei globalisiert sich der Militärpakt und schmiedet in Asien neue Allianzen. Japans Premierminister Fumio Kishida durfte stolz auf dem Gipfel verkünden, dass sein Land und die NATO ein Abkommen für ein neues Partnerschaftsprogramm unterzeichnet haben. Das Expansionskonzept der US-geführten NATO in Richtung Asien und Indopazifik zur Herausforderung Chinas wurde durch die Einladung Japans, Südkoreas, Australiens und Neuseelands zum Gipfel unterstrichen. Blaupause für die NATO-Expansion nach Asien scheint die Erweiterung des Militärpakts nach 1990 bis an die russische Grenze zu sein. Einstweilen wird dies noch in Partnerschaftsprogrammen mit Staaten Asiens fixiert, aber die Perspektive steht klar in Richtung einer NATO mit Weltgeltungsanspruch, die ihren namensgebenden Bündnisbereich des Nordatlantiks weit hinter sich lässt. Auch auf dem »NATO Public Forum« zur Begleitung des Gipfels, auf dem NATO-Verantwortliche mit NATO-Thinktank-Vertretern und handverlesenen, offenbar als besonders NATO-freundlich eingestuften Journalisten diskutieren, stand die neue Front gegen China hoch im Kurs der Debatten und der Ruf nach einer »regelbasierten Ordnung«.

Die NATO entpuppt sich als regelrechte Lügenallianz. Zur Aufrechterhaltung der US-Hegemonie setzt sie auf eine ätzende Doppelmoral und fordert stets von anderen ein, an was man sich selbst nicht halten mag. Es nimmt nicht wunder, dass der Einsatz von Streubomben durch Nichtmitglieder als Kriegsverbrechen gegeißelt wird, die Lieferung dieser Mordinstrumente an NATO-Verbündete aber geradezu als humanitäre Pflicht gilt.

Quelle: junge Welt

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