Aufhebung der Einschränkung russischer Lebens- und Düngemittelexporte
Inwieweit bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung die von der zuständigen UN-Beauftragten Rebeca Grynspan identifizierten Probleme bei der Umsetzung der beiden am 22. Juli 2022 von der Ukraine und Russland mit den Vereinten Nationen und der Türkei abgeschlossenen komplementären Abkommen fort, vor dem Hintergrund, dass zwar die kriegsbedingt blockierte Ausfuhr von ukrainischem Getreide und anderen Agrarmitteln von drei Schwarzmeerhäfen ermöglicht wurde, allerdings entgegen der Vereinbarung die Aufhebung der im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland stehenden Einschränkungen russischer Lebensmittel- und Düngemittelexporte stockt (dpa vom 13. September 2022), und welche Auswirkungen (direkt und indirekt) haben nach Kenntnis der Bundesregierung die von ihr mitgetragenen EU-Sanktionen gegen Russland auf russische Lebensmittel- und Düngemittelexporte, vor dem Hintergrund, dass diese durch die abschreckende Wirkung der Sanktionen sowie deren Auswirkungen auf Schiffsverkehr, Bankwesen und Versicherungen de facto massiv eingeschränkt sind (https://apnews.com/article/russia-ukraine-global-trade-united-nations73714206bd0c0bd9aab84ca0bb78d070) und laut UN-Generalsekretär António Guterres der ungehinderte Zugang russischer Lebens- und Düngemittel zu den globalen Märkten von entscheidender Bedeutung wäre, um die Lebensmittelpreise zu senken und eine Verschärfung der Lebensmittelknappheit zu vermeiden (www.n-tv.de/politik/UN-GeneralsekretaerGuterres-Getreide-Export-nur-Teil-der-Loesung-russischerDuenger-entscheidend-article23537746.html)?
Antwort der Staatsministerin Katja Keul auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Während der Generalversammlung der Vereinten Nationen hat der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, eine Spende von 50 000 Tonnen Getreide für Somalia und Äthiopien angekündigt. Deutschland hat die anfallenden Transportkosten nach Äthiopien in Höhe von 14 Millionen Euro übernommen.
Seit 27. Juli 2022 wurden auf Grundlage der Black Sea Grain Initiative insgesamt mehr als 6,8 Millionen Tonnen Getreide aus den drei ukrainischen Häfen Odessa, Juschne und Chornomorsk auf die Weltmärkte über den Bosporus transportiert. Unter Hinzunahme von Exporten über von der Europäischen Union koordinierten Landtransportwegen (EU-Solidarity Lanes) wurden zudem allein im September 2022 insgesamt über 6,6 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine transportiert. Diese Zahlen liegen auf dem Niveau vor Kriegsbeginn und zum Teil sogar darüber.
Dürren und Auswirkungen des Klimawandels, gestörte Lieferketten aufgrund der Covid-19-Pandemie und bewaffnete Konflikte haben darüber hinaus schon vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine für Schocks auf den globalen Getreidemärkten gesorgt. Mit Kriegsbeginn hat sich die Situation dramatisch zugespitzt. Russland setzt auch durch gezielte Angriffe auf die Getreidespeicher der Ukraine den Hunger als Waffe ein.
Die Ukraine zählte zu den Hauptlieferanten für viele Länder im Globalen Süden und große internationale Hilfsorganisationen. Nun führen Zerstörungen von Infrastruktur, blockierte Häfen und Ernteausfälle zu Versorgungsengpässen. Russland, selbst großer und wichtiger Exporteur von Getreide, hat eigene Exporte hingegen anfänglich sogar teilweise zurückgefahren. Die russische Propaganda streut zynische Desinformationen, nach denen westliche Sanktionen den Export von Getreide und Düngemittel an Entwicklungsländer verhinderten. Deswegen unterstreiche auch ich hier noch einmal: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine ist schuld am Leid der Menschen, nicht die internationalen Sanktionen!
Es gibt keine Sanktionen auf Nahrungs- und Düngemittel. Für Düngemittel bestehen Importquoten für die Europäische Union, die aber nur für die EU und EU-Unternehmen gelten. EU-Sanktionen sind nicht extraterritorial.
Sanktionen in anderen Bereichen beinhalten Ausnahmen für Nahrungs- und Düngemittel. Dies gilt für Sanktionen im Transport-, aber auch im Zahlungsbereich.
Die EU-Hafensperrung für russische Schiffe enthält eine explizite Ausnahme für die Beförderung von Lebensmitteln und Düngemitteln. Es gibt kein Versicherungsverbot für den Schiffsverkehr mit Lebensmitteln oder Düngemitteln aus Russland in Drittstaaten.
Der von Russland zu verantwortende völkerrechtswidrige Angriffskrieg und die bewusste Zerstörung von Infrastruktur, wie Häfen, Schienen und Verladebahnhöfen, durch Russland haben zu einem weltweiten Anstieg von Lebensmittelkosten und auch Versicherungsprämien geführt.
Das Sicherheitsrisiko für Schiffe im Schwarzen Meer ist real; die Verantwortung hierfür trägt jedoch allein Russland.