Beschaffung einer Probe des Nervengifts Nowitschok durch den BND in den 1990er Jahren
Inwieweit trifft es zu, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) in den 1990er Jahren über einen russischen Wissenschaftler eine Probe des Nervengifts Nowitschok beschafft hat, die in einem Labor in Schweden analysiert, deren Formel an das Bundesverteidigungsministerium und den BND sowie von diesem unter anderem an die Geheimdienste in den USA und Großbritannien übermittelt wurde, woraufhin in einigen NATO-Staaten auch winzige Mengen des Giftes produziert wurden, um Schutzausrüstung, Messgeräte und Gegenmittel zu testen (dpa vom 16. Mai 2018), und inwieweit verweigert die Bundesregierung eine Beantwortung der Frage, ob Großbritannien und andere NATO-Partner wie Frankreich Vergleichsmuster des Kampfstoffes „Nowitschok“ oder Analoga besitzt, um Zweifel an der „russischen Herkunft“ des Stoffes bezogen auf den „Fall Skripal“ zu begegnen (Bundestagsdrucksache 19/1992, Fragen 8 und 9)?
Antwort des Staatssekretärs Johannes Geismann vom 24. Mai 2018
Gegenstand der ersten Teilfrage sind solche Informationen, die in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren und daher selbst in eingestufter Form nicht beantwortet werden können. Das verfassungsrechtlich verbürgte Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung wird durch gleichfalls Verfassungsrecht genießende schutzwürdige Interessen wie das Staatswohl begrenzt. Eine Offenlegung der angefragten Informationen in diesem konkreten Einzelfall birgt die Gefahr, dass Einzelheiten zur konkreten Methodik und zu in hohem Maße schutzwürdigen spezifischen Fähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes bekannt würden. Infolgedessen könnten sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Akteure Rückschlüsse auf spezifische Vorgehensweisen und Fähigkeiten des Bundesnachrichtendienstes gewinnen. Dies würde folgenschwere Einschränkungen der Informationsgewinnung bedeuten, womit letztlich der gesetzliche Auftrag des Bundesnachrichtendienstes – die Sammlung und Auswertung von Informationen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind (§ 1 Absatz 2 BNDG) – nicht mehr erfüllt werden könnte. Die Gewinnung von auslandsbezogenen Informationen ist für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes jedoch unerlässlich.
Eine VS-Einstufung und Hinterlegung der angefragten Informationen in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages würde ihrer erheblichen Brisanz im Hinblick auf die Bedeutung für die Aufgabenerfüllung des Bundesnachrichtendienstes nicht ausreichend Rechnung tragen. Die angefragten Inhalte beschreiben die Fähigkeiten und Arbeitsweisen des Bundesnachrichtendienstes so detailliert, dass eine Bekanntgabe auch gegenüber einem begrenzten Kreis von Empfängern ihrem Schutzbedürfnis nicht Rechnung tragen kann. Bei einem Bekanntwerden der schutzbedürftigen Information wäre kein Ersatz durch andere Instrumente der Informationsgewinnung möglich.
Aus dem Vorgesagten ergibt sich, dass die erbetenen Informationen derart schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen berühren, dass das Staatswohl gegenüber dem parlamentarischen Informationsrecht wesentlich überwiegt. Insofern muss ausnahmsweise das Fragerecht der Abgeordneten gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung zurückstehen.
Im Hinblick auf die zweite Teilfrage wird auf die Vorbemerkung zu den Fragen 6 sowie 8 bis 12 auf Bundestagsdrucksache 19/1992 verwiesen.