Erkenntnisse zur „EGM Mobil“-App der türkischen Polizei
Vizepräsidentin Petra Pau:
Wir kommen damit zur Frage 3 der Abgeordneten Sevim Dağdelen:
Inwieweit ist nach Kenntnissen der Bundesregierung (auch nachrichtendienstlichen) die „EGM Mobil“-App („Emniyet Genel Müdürlügü“, Zentralbehörde der türkischen Polizei) mit seinen umfangreichen Funktionen nicht lediglich eine App, um mutmaßliche Straftaten zur Anzeige zu bringen, wie sie analog unter anderem in Deutschland über die sogenannten Onlinewachen übers Internet ermöglicht wird, und welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung (zum Beispiel rechtliche oder politische), um die Verwendung der „EGM Mobil“-App zu unterbinden, sofern es sich nach ihrer Kenntnis im Gegensatz zu den sogenannten Onlinewachen nur um eine digitale Methode der Denunziation handelt, um kritische Kommentare „türkischstämmiger“ Personen in sozialen Netzwerken direkt bei den türkischen Behörden anzuzeigen (www.welt.de/vermischtes/article181735822/Hart-aber-fair-Die-Tuerkei-ist-kein-Rechtsstaat-das-ist-ein-Willkuersystem.html)?
Bitte, Herr Staatsminister.
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Dağdelen, die Smartphone-Anwendung „EGM Mobil“ bietet den Nutzerinnen und Nutzern unter anderem die Möglichkeit, eine Anzeige bei der türkischen Polizei zu erstatten. Die Bundesregierung hat keine eigenen Erkenntnisse dazu, dass über diese Anwendung abgegebene Anzeigen zur Strafverfolgung deutscher Staatsangehöriger in der Türkei geführt hätten.
Ganz grundsätzlich gilt: Die Wurzeln von Denunziationen in der Türkei und auch hier in Deutschland liegen nicht in einer bestimmten Technik oder in einer mobilen Anwendung, also in einer App, sondern in der polarisierenden Politik der türkischen Regierung und der Verfasstheit des türkischen Rechtsstaats. Die Bundesregierung verwahrt sich daher in politischen Gesprächen mit der türkischen Regierung regelmäßig dagegen, dass politische und gesellschaftliche Konflikte aus der Türkei in unser Land getragen werden. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung mit Nachdruck für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei ein.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen herzlichen Dank. – Herr Staatsminister Roth, ich möchte Ihnen hier namens meiner Fraktion vollkommen zustimmen, dass die Wurzeln dieser Denunziationen tatsächlich in der Polarisierungspolitik der türkischen Regierung und dem Abbau der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei liegen. Nichtsdestotrotz haben viele Menschen, die in Deutschland leben, die in den letzten Jahren in die Bundesrepublik Deutschland als ein Exilland gekommen sind und hier Asyl beantragt haben, sowie kritische Journalisten, die kein Asyl haben, aber sich hier aufhalten, Angst, weil mittels einer App viel einfacher denunziert werden kann. Deshalb meine Frage: Wird sich die Bundesregierung ausführlicher mit diesem neuen, modernen Mittel der Denunziation beschäftigen und prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, dies zu unterbinden?
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Dağdelen, wir nehmen das selbstverständlich sehr ernst. Wir können auch nicht ausschließen, dass es zu entsprechenden Denunziationen über diese Anwendung gekommen ist.
Vizepräsidentin Petra Pau:
Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank. – Dann würde ich gerne wissen: Hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung, wie bereits im Falle des kritischen Journalisten Can Dündar, die Sicherheitslage auch für andere türkische Oppositionelle oder Kritiker des türkischen Staatspräsidenten, die in Deutschland leben, noch einmal verschärft? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass heute gemeldet wurde, dass seit dem Besuch des türkischen Staatspräsidenten der Journalist Can Dündar unter Polizeischutz gestellt worden ist. Sind Ihnen dieser Fall bzw. weitere Fälle bekannt?
Vizepräsidentin Petra Pau:
Bitte, Herr Staatsminister.
Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt:
Frau Präsidentin! Liebe Frau Kollegin Dağdelen, alle Menschen, die hier in Deutschland leben, nicht nur unsere Bürgerinnen und Bürger, sondern auch unsere Gäste, haben einen Anspruch auf ein Höchstmaß an Sicherheit. Dieser Verpflichtung kommen wir seitens der Bundesregierung nach, aber wir sind natürlich auch zwingend auf die Unterstützung seitens der Landesbehörden und der entsprechenden Polizeibehörden angewiesen.
Sie haben einen konkreten Fall geschildert. Das ist ein trauriges Beispiel, das deutlich macht, dass die Sicherheitslage für kritische Geister aus der Türkei nach wie vor angespannt ist. Hier werden wir unserer Schutzverpflichtung selbstverständlich nachkommen.