Kein Nein von Baerbock zu einem Krieg gegen China
Befragung der Bundesregierung am Mittwoch, den 19. April 2023. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) stellte sich den Fragen der Abgeordneten.
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine Frage richtet sich an Außenministerin Baerbock. Frau Ministerin, die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung veröffentlicht jetzt Namensbeiträge, die darauf hinweisen, dass Europas Politiker – ich zitiere – „keine Ahnung von den Sichtweisen und Erwartungen des Globalen Südens“ haben. Dort wird deutlich kritisiert, dass sich die NATO- und US-Verbündeten auch bei der G 7 als internationale Staatengemeinschaft darstellen, während der große Teil der Weltgemeinschaft tatsächlich keine Waffen an die Ukraine liefert und auch die einseitigen Wirtschaftssanktionen des Westens als einen Völkerrechtsbruch verurteilt. Fakt ist, dass die moralischen Belehrungen und Forderungen der deutschen Außenpolitik im Globalen Süden auch als eine neokoloniale Schulmeisterei wahrgenommen werden.
Im Hinblick auf Ihren jüngsten Besuch in China haben Sie, Frau Baerbock, zu den Spannungen in der Straße von Taiwan gesagt – Zitat –, „dass wir es nicht hinnehmen würden, wenn es zu einer militärischen Eskalation kommt“. Meine Frage ist, ob Sie damit eine deutsche Beteiligung an einem Wirtschaftskrieg oder gar eine deutsche Beteiligung an einem Krieg gegen China ankündigen wollten. Das wäre ja für die soziale und auch die menschliche Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland verheerend.
Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen:
Vielen Dank, Frau Dağdelen, für Ihre Frage. – Da wir gerade so viel über Gendern gesprochen haben, fühle ich mich jetzt nicht so ganz angesprochen, wenn die Friedrich-Ebert-Stiftung sagt: Europäische Politiker haben nicht den Blick für den Globalen Süden. – Aber ich antworte trotzdem als Außenministerin meines Landes.
Bei meinen Besuchen in den unterschiedlichen Ländern waren Sie ja auch mit dabei. Es ist immer schwierig, von den Ländern oder der Politik zu sprechen, weil es auch in Afrika und im Indopazifik sehr unterschiedliche Länder gibt. Sie kennen ja auch das Abstimmungsverhalten der Länder in der Generalversammlung, auf die ich gerade eben hingewiesen habe. Es gibt mehrere afrikanische Länder, die für die Resolution „Uniting for Peace“ und auch für den Friedensplan der Generalversammlung gestimmt haben, die sehr deutlich machen, dass man einen Bruch der UN-Charta nicht einfach hinnehmen kann, dass man ein Verbrechen, nämlich einen solchen War of Aggression, nicht einfach hinnehmen kann. Deswegen waren es bekanntermaßen auch afrikanische Länder, die zum Beispiel bei der Reform des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs mit Blick auf das Kampala-Amendment intensiv dafür geworben haben – gerade auch bei europäischen Ländern –, dass man für einen solchen Angriffskrieg vor dem Internationalen Strafgerichtshof angeklagt werden sollte. Das ist ein Beispiel für die enge Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland mit diesen afrikanischen Ländern. Ich habe ja in Den Haag auch deutlich gemacht, dass es für uns wichtig ist, das Römische Statut zu ändern, um auf diesem Wege für eine Einhaltung des Völkerrechtes und vor allen Dingen für Rechtsstaatlichkeit weltweit zu sorgen.
Da die Zeit abgelaufen ist: Vielleicht stellen Sie eine Nachfrage; dann kann ich noch mal auf die Situation in der Straße von Taiwan eingehen. Sonst klopft der Herr Präsident wieder.
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Dağdelen, Sie haben eine Nachfrage?
Sevim Dağdelen (DIE LINKE):
Herr Präsident, ja, die erste Frage in Bezug auf Taiwan wurde ja gar nicht beantwortet.
Zweitens würde ich gerne wissen – weil Sie die Forderungen von Brasiliens Präsidenten nach einer Beendigung der Waffenlieferungen und einer Zusammenarbeit in Richtung Verhandlungslösung ignorieren und in der Abschlusserklärung der G 7 ja auch kein Wort von einer diplomatischen Initiative zu finden ist –, ob Sie die Initiative des französischen Präsidenten Macron unterstützen werden, der offensichtlich mit China daran arbeitet, Russland und die Ukraine noch in diesem Sommer zu Verhandlungsgesprächen zu bewegen. Es wird berichtet, dass er seinen außenpolitischen Berater Emmanuel Bonnet beauftragt hat, mit Chinas Spitzendiplomaten Wang Yi zusammenzuarbeiten, um einen Rahmen für künftige Verhandlungen zu schaffen. Frankreichs Verbündete seien laut Medienberichten informiert. Meine Frage: Ist die Bundesregierung informiert, und unterstützt sie diese französische Initiative?
Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen:
Also, ich habe ja selber mit Herrn Wang Yi in China zusammengesessen, und wir haben intensiv darüber gesprochen, wie wir den Weltfrieden wiederherstellen können. Bedauerlicherweise haben wir an ein paar Punkten unterschiedliche Einschätzungen. Wir teilen, dass es zu keiner weiteren nuklearen Eskalation kommen darf; da arbeiten wir eng zusammen. Allerdings hatte ich seinen Außenminister – er, Wang Yi, war ja vorher selber Außenminister – gefragt, warum China dann den Aggressor nicht auffordert, mit der Bombardierung endlich aufzuhören. Das wäre der erste Schritt zu Frieden; das wäre auch der erste Schritt, wenn man verhandeln will. Leider hat China das nicht getan. Wir haben deutlich gemacht, dass wir jederzeit über Frieden sprechen wollen, dass es in der Hoheit der Ukraine liegt. Die Ukraine hat auch gesagt, dass sie endlich über Frieden sprechen will und jederzeit dazu bereit ist. Aber das kann man nicht, wenn man ständig bombardiert wird. Deswegen ist es so wichtig, dass es zu einer Beendigung der Bombardierung vonseiten des Angreifers kommt.
Sie haben den brasilianischen Präsidenten angesprochen. Er war zeitgleich dort; wir waren lustigerweise auch im gleichen Hotel. Da hieß es auch von einigen von Ihnen: Der erreicht ganz viel. – Man hat über Freihandel gesprochen, und da hat der brasilianische Präsident deutlich gemacht, dass er sich das Freihandelsabkommen mit Europa viel eher vorstellen kann –
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Ministerin.
Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen:
– als das, was von chinesischer Seite angeboten wurde. So viel zu der These, dass es hier irgendwie eine Polarisierung auf der Welt geben würde. Zur Straße von Taiwan haben wir deutlich gemacht, dass wir deeskalieren wollen; das habe ich auch in China deutlich gemacht. Wir müssen gemeinsam darüber sprechen, warum gewisse Dinge offensichtlich als Aggressionen wahrgenommen werden. Das hat Tony Blinken auch beim G-7-Treffen noch mal unterstrichen. Wir wollen verhindern, –
Vizepräsident Wolfgang Kubicki:
Frau Ministerin.
Annalena Baerbock, Bundesministerin des Auswärtigen:
– dass es zu einer weiteren militärischen Eskalation auf dieser Welt kommt. Auch dazu diente mein Besuch.