»Die US-Seite hat Panzerlieferungen angemahnt«

Interview: Nico Popp

Sie sind aktuell mit einer Delegation von Bundestagsabgeordneten in den USA unterwegs. Worum geht es bei dieser Reise?

Es handelt sich um eine Delegationsreise der Parlamentariergruppe USA des Bundestags zum Austausch mit Vertretern des US-Kongresses, der Regierung und der Zivilgesellschaft. Unabhängig davon, wie man zum US-Gesellschaftssystem und der US-Außenpolitik steht, sind solche Begegnungen natürlich interessant und wichtig. Das gilt übrigens auch für den Austausch mit Vertretern anderer Staaten, unabhängig davon, ob diese wie die USA völkerrechtswidrige Kriege führen oder systematisch Menschenrechte verletzen. Ich würde mir wünschen, dass die deutsche Politik hierbei nicht mit zweierlei Maß messen und alle Gesprächskanäle offenhalten würde.

Die Auseinandersetzung der USA mit China war ein Thema?

Ja, ganz zentral. Es ging in erster Linie um den Handels- und Wirtschaftskrieg der USA gegen China. Die USA versuchen seit geraumer Zeit, ihren Niedergang als Welthegemon und Chinas Aufstieg um jeden Preis aufzuhalten. Die Bundesregierung, so mein Eindruck, soll dabei an der Konfrontation beteiligt werden. Ziel ist, die deutsche Politik für eine im Hinblick auf die deutsche Industrie selbstmörderische Strategie der Entkoppelung von China zu gewinnen. Für die Mehrheit der Bevölkerung hierzulande wäre das eine Katastrophe, auf die der Wirtschaftskrieg gegen Russland wahrscheinlich nur ein kleiner Vorgeschmack wäre.

Wurden Forderungen hinsichtlich der Beziehungen zur ­Ukraine und Russland laut?

Die US-Seite war voll des Lobes für die massiven Waffenlieferungen der Ampel an die Ukraine. Es stand aber auch immer die Frage im Raum, wie lange das die deutsche Bevölkerung wohl angesichts der drohenden Verarmung durchhalten würde. Noch massivere Rüstungslieferungen, insbesondere Panzer, wurden aber angemahnt. Im politischen Establishment der USA scheint es Konsens zu sein, Russland und China als systemische Feinde zu begreifen, die es zu besiegen gilt. Es geht den USA darum, Russland nachhaltig zu schwächen, wie US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kundgetan hat. Daher soll die Ukraine in diesem Stellvertreterkrieg aufmunitioniert werden, bis – um es in den Worten der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, zu sagen – »der Sieg gewonnen ist«. Deutschland soll dabei wie bei Japan gegen China die Rolle eines Frontstaates gegen Russland zukommen.

Die Delegation war auch in Pennsylvania unterwegs. Dort haben Sie sich mit den Verhältnissen in einem Wahlkreis näher vertraut machen können. Was unterscheidet die Probleme dort von denen in einem durchschnittlichen deutschen Wahlkreis?

Zunächst einmal gibt es eine große Gemeinsamkeit: Die Menschen dort ächzen ebenfalls unter den explodierenden Lebensmittel- und Energiepreisen. Die Inflation in den USA befindet sich auf dem höchsten Wert seit 40 Jahren. In einem komplett privatwirtschaftlichen System mit einer katastrophalen Daseinsvorsorge sind die Auswirkungen der Krise natürlich dramatisch. Es war auffällig, dass die Republikaner hier ihren Wahlkampf mit ökonomischen Themen führen, während die Demokraten auf eine Mobilisierung für das Recht auf Abtreibung und die Verteidigung der Demokratie setzen.

Hatten Sie die Möglichkeit, in Kontakt mit linken Organisationen zu kommen?

Auch bei dieser Reise habe ich mich neben der antimilitaristischen Bürgerrechtsbewegung Code Pink mit der Whistleblowerschutzvereinigung Defending Rights & Dissent und weiteren Vertretern der Solidaritätsbewegung mit Julian Assange getroffen. Der Journalist und Wikileaks-Gründer ist hier auf der Grundlage eines aus der Zeit des Ersten Weltkriegs stammenden Spionagegesetzes angeklagt, weil er Kriegsverbrechen der USA im Irak und Afghanistan öffentlich gemacht hat. Meine Gesprächspartner in Regierung und Kongress waren einigermaßen verwundert, dass ich das Schicksal von Julian Assange angesprochen habe. Dass der Bundestag im Juli erstmals die politische Verfolgung von Julian Assange als Angriff auf die Pressefreiheit verurteilt und die Bundesregierung aufgerufen hat, sich für die Freilassung und Nichtauslieferung von Assange einzusetzen, ist dort schlicht unbekannt. Gemeinsam haben wir beraten, wie Ähnliches in den USA gelingen kann, um den Druck auf die US-Regierung zu erhöhen. Es braucht dringend eine große Kampagne in den USA für die Freilassung von Julian.

Quelle: junge welt

Das könnte dich auch interessieren …