Rechtsverbindlichkeit des IAEO-Zusatzprotokolls für die Teilnehmer am Atomwaffenverbotsvertrag

Kann die Bundesregierung nach ihren Kenntnissen bestätigen, dass der „erweiterte Verifikationsstandard“ für Teilnehmerstaaten am Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV), die ein „Comprehensive Safeguards Agreement“ und das Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) abgeschlossen und in Kraft gesetzt haben, bei einem Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV) weiterhin rechtsverbindlich ist (Plenarprotokoll 19/205, Frage 96), da die Teilnehmerstaaten am AVV die Möglichkeit, das einmal abgeschlossene IAEO-Zusatzprotokoll wieder zu kündigen, mit dem Beitritt zum AVV verwirkt haben und die Mitgliedschaft im AVV quasi zu einer rechtlichen Bestandsgarantie für IAEO-Verifikationsstandards führt (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages WD 2 – 3000 – 111/20, S. 21), und inwieweit schließt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis aus, dass auch der AVV alle Staaten ohne Zusatzprotokoll zu Abschluss und Inkraftsetzung eines solchen ermutigt, vor dem Hintergrund, dass dies auch bei den NVV-Mitgliedern im Zuge der Umsetzung des „erweiterten Verifikationsstandards“ bei den 190 Teilnehmerstaaten des NVV der Fall ist, von denen bisher nicht alle, sondern 150 Staaten das IAEO-Zusatzprotokoll gezeichnet und 136 Staaten in Kraft gesetzt haben (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages WD 2 – 3000 – 111/20, S. 16)?

Antwort der Staatssekretärin Antje Leendertse vom 10. Februar 2021

Artikel 3 Absatz 1 des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) bestimmt, dass für jeden Vertragsstaat des AVV, der beim Beitritt zum AVV kein Atomwaffenstaat im Sinne des Artikel 4 Absatz 1 oder 2 des AVV war, weiterhin mindestens jene rechtlichen Verpflichtungen im Bereich der technischen Sicherungsmaßnahmen („Safeguards“) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) fortgelten, die beim Inkrafttreten des AVV für ihn galten, unbeschadet etwaiger zusätzlicher Übereinkünfte, die der Vertragsstaat in Zukunft möglicherweise abschließt. Das bedeutet, dass für diejenigen Vertragsstaaten des AVV, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AVV bereits ein Zusatzprotokoll mit der IAEO abgeschlossen hatten, dieses auch weiterhin gilt.

Allerdings ergibt sich für die Vertragsstaaten des AVV, die bei dessen Inkrafttreten noch kein Zusatzprotokoll mit der IAEO abgeschlossen hatten, weder aus Artikel 3 Absatz 1 noch aus einer anderen Fundstelle im AVV eine Ermutigung oder eine völkerrechtliche Verpflichtung, ein solches Zusatzprotokoll mit der IAEO abzuschließen. Artikel 3 Absatz 1 des AVV stellt lediglich fest, dass zusätzliche Übereinkünfte von diesen Vertragsstaaten in der Zukunft abgeschlossen werden können. Artikel 3 Absatz 2 des AVV verpflichtet die Vertragsstaaten des AVV, die dies noch nicht getan haben, lediglich dazu, ein sogenanntes Abkommen über umfassende Sicherungsmaßnahmen („Comprehensive Safeguards Agreement“, CSA) mit der IAEO abzuschließen, das spätestens 18 Monate nach Inkrafttreten des AVV für den betreffenden Vertragsstaat in Kraft tritt.

Das CSA bildet zwar eine wichtige Grundlage für die Inspektionsrechte der IAEO in bereits durch den betreffenden Vertragsstaat selbst deklarierten Stätten und Anlagen. Aber erst das Zusatzprotokoll räumt der IAEO die aus nichtverbreitungspolitischer Sicht wünschenswerten erweiterten Zugangs- und Kontrollrechte auch zu nicht-deklarierten Stätten und Anlagen ein. Die Bundesregierung setzt sich daher in enger Abstimmung mit anderen gleichgesinnten Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der IAEO auch weiterhin für eine Universalisierung des Zusatzprotokolls der IAEO ein – zum Beispiel durch ihre Beteiligung an gezielten gemeinsamen Demarchenaktionen im Vorfeld der 10. Überprüfungskonferenz des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV).

Das könnte dich auch interessieren …