Shut down Guantanamo. Free Assange
Rede von Sevim Dagdelen bei „The Belmarsh Tribunal NYC: Shut down Guantanamo. Free Assange“ am 25. Februar 2022
Liebe Freunde,
ich bedanke mich herzlich für die Einladung zum heutigen Belmarsh Tribunal, es ist mir eine Ehre, einen Beitrag zu dieser wichtigen Veranstaltung leisten zu dürfen.
Der Zeitpunkt für diese Veranstaltung könnte nicht besser gewählt sein. Schließlich wurden wir Anfang des Jahres, wenige Tage vor dem 20. Jahrestag der Eröffnung des US-Gefangenenlagers Guantánamo, Zeugen eines weiteren traurigen Jubiläums: Am 5. Januar 2022, verbrachte der Journalist Julian Assange den 1000. Tag in Haft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, dem „britischen Guantánamo“. Der Grund: Assange hat Verbrechen der US-Regierung in Guantánamo, im Irak und in Afghanistan wie auch Details über das Folterprogramm des US-Geheimdienstes CIA veröffentlicht.
Es ist eine Schande und Ausdruck der Scheinheiligkeit westlicher Politik, dass nicht diejenigen sich vor Gericht verantworten müssen, die schwere Kriegsverbrechen zu verantworten haben, sondern diejenigen, die diese aufgedeckt und publik gemacht haben. Dass Julian Assange nach wie vor die Auslieferung an die USA droht, an ein Land, dessen Regierungsbehörden nachweislich seine Ermordung geplant haben, ist ein rechtsstaatlicher und humanitärer Skandal.
Die europäischen Staaten schweigen hierzu. Sie behaupten, wie im Fall der deutschen Bundesregierung, Assange würde ein faires rechtsstaatliches Verfahren zuteil, oder sie kollaborieren aktiv mit den USA, wie im Fall der britischen und der schwedischen Justiz.
Der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, schreibt hierzu in seinem jüngsten Buch: „In 20 Jahren Arbeit mit Opfern von Krieg, Gewalt und politischer Verfolgung habe ich noch nie erlebt, dass sich eine Gruppe demokratischer Staaten zusammengeschlossen hat, um ein einzelnes Individuum so lange Zeit bewusst zu isolieren, zu dämonisieren und zu missachten.“
Die europäische Beteiligung am desaströsen „Krieg gegen den Terror“ ist eine schwere Hypothek für die Glaubwürdigkeit der europäischen Staaten. Wenn Assange ausgeliefert und verurteilt wird, ohne dass die europäische Politik ernsthaft zu intervenieren versucht, führt sie all ihre Kritik im Hinblick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit in anderen Ländern endgültig ad absurdum.
Auch Europa hat sich an dem System Guantánamo mitschuldig gemacht. Persönliche Verantwortung hierfür trägt in Deutschland unter anderem der höchste Mann im Staat, der kürzlich wiedergewählte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier. Als Kanzleramtschef und Außenminister hatte er die andauernde unrechtmäßige Inhaftierung des in Deutschland aufgewachsenen türkischen Staatsbürgers Murat Kurnaz in Guantánamo mitzuverantworten.
Dank hartnäckiger Arbeit ist es in Deutschland dennoch gelungen, ein breites parteiübergreifendes Netzwerk der Solidarität zu knüpfen bestehend aus zahlreichen Persönlichkeiten aus Presse, Kultur, Wissenschaft und Politik. Der neuen deutschen Bundesregierung gehören insgesamt fünf Minister an, die sich im vergangenen Jahr im Zuge verschiedener Solidaritätsbekundungen für die Freilassung von Julian Assange ausgesprochen haben. Wir werden weiter Druck machen, damit deren Versprechen – jetzt da sie in der Regierung sind – nicht in Vergessenheit geraten.
Ich freue mich, dass auch die internationale Solidaritätsbewegung für die Freilassung von Julian Assange, insbesondere in Großbritannien und USA, immer größer wird, und bedanke mich herzlich für die Organisation dieser großartigen Veranstaltung.
Zur Veranstaltung: belmarsh-tribunal-nyc/