Zuckerbrot und Peitsche
Von Sevim Dagdelen
Der Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland erweist sich bisher als kompletter Flop und gefährlicher Bumerang. Während Russland seine Einnahmen aus Energieexporten erhöht, treffen die Sanktionen vor allem die Bevölkerung in der EU und der Bundesrepublik. Denn die Strategie der Selbstamputation, mit der Putin getroffen werden soll, führt vor allem zu explodierenden Energiepreisen, einer galoppierenden Inflation und Entwertung der Löhne hierzulande. Problem für Washington, Brüssel und Berlin ist, dass sich nur eine Minderheit der Staaten weltweit an den Sanktionen beteiligt. Länder wie Indien oder Indonesien erhöhen sogar ihre Energieimporte aus Russland stark. Auch Serbien erweist sich, was die einseitigen Sanktionen gegen Russland angeht, wie der globale Süden als unbotmäßig und ist dabei, einen neuen Liefervertrag für preiswertes russisches Gas abzuschließen.
Mit Zuckerbrot und Peitsche soll Serbien jetzt auf Sanktionskurs gebracht werden. Die USA stellen Energielieferungen in Aussicht, die deutsche Außenministerin droht, wer sich nicht willfährig erweise, könne keinen Beitritt zur EU erwarten. Die Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz soll es jetzt richten. Symbolträchtig fährt er über Pristina nach Belgrad. Während er im Kosovo den Bundeswehr-Soldaten für die militärische Absicherung der völkerrechtswidrigen Anerkennung der Sezession des Gebiets in der Folge des völkerrechtswidrigen NATO-Krieges 1999 dankt, wird Belgrad angemahnt, Strafmaßnahmen gegen Russland zu verhängen, weil Moskau die Sezession des Donbass anerkannt hat und in der Ukraine einen völkerrechtswidrigen Krieg führt. Es ist aber gerade diese durchsichtige Doppelmoral, die als einzige Maxime die Geopolitik kennt, von der der globale Süden schlicht die Nase voll hat und die auch in der serbischen Bevölkerung nicht auf besondere Gegenliebe stoßen dürfte. Eine Mehrheit dort sieht einen EU-Beitritt wegen der Forderungen nach einem Bruch mit Moskau mittlerweile skeptisch.
Um so härter gedenkt die Bundesregierung jetzt offenbar auf dem Balkan aufzutreten. Im Bundestag steht in der nächsten Sitzungswoche bereits ein Mandat der Bundesregierung für eine neue Entsendung der Bundeswehr nach Bosnien-Herzegowina zur Beratung. Unter dem Kommandonamen »Operation Althea« (Heilende Göttin) soll mit einer Stationierung deutscher Truppen noch vor den Wahlen in Bosnien-Herzegowina im Oktober sezessionistischen Tendenzen in der serbischen Teilrepublik mit vorgebeugt werden. 2012 hatte Außenminister Guido Westerwelle die deutsche Beteiligung an der EU-Militärmission beendet. Mit dem neuen Mandat will die Ampelregierung den Balkan wieder an die kurze Leine nehmen. Wer aber meint, ganze Weltgegenden wie einen Hinterhof behandeln zu können, muss sich nicht wundern, wenn der Unmut weltweit wächst.
Sevim Dagdelen ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages
Quelle: junge welt